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schandfleck.ch_archiv/1999/nr.1  
manifest für einen dauerhaften frieden durch einen solidaritäts - friedensdienst
1992: die schweiz verankert das recht auf einen zivildienst für kriegsdienstverweigerer in der verfassung. anstatt zu schweren gefängnisstrafen verurteilt zu werden, können diese künftig eine gemeinnützige arbeit leisten. l997: der bundesrat tut seine absicht kund, eine solidaritätsstiftung zu gründen, um auf der ganzen welt opfern von hunger, unterdrückung, krieg und naturkatastrofen zu helfen.

wir, kriegsdienstverweigerer aus gewissensgründen, begrüssen diesen doppelten fortschritt unseres landes, zum einen im respekt vor den menschenrechten, zum andern im sinne der öffnung und der grosszügigkeit. wir stellen jedoch fest, dass die inkraftsetzung des zivildienstgesetzes zahlreiche probleme mit sich bringt, entstanden aus dem spannungsfeld zwischen dem geist dieses gesetzes, dem erbe des kalten krieges und den neuen herausforderungen, die sich heute der schweiz stellen. einerseits stellen wir fest, dass die umsetzung der solidaritätsstiftung sich verzögert, andererseits führt uns die aktualität ständig vor augen, wie nützlich und willkommen diese stiftung wäre. nicht nur für die anderen, die unglücklichen, denen sie helfen soll, sondern auch für uns: das bild eines volkes von egoistischen, arroganten profiteuren, durch die affäre um die jüdischen gelder in verruf geraten, wird der tatsächlichen grosszügigkeit der mehrheit der schweizer, die weder bankier noch geschäftemacher sind, nicht gerecht. wir, kriegsdienstverweigerer aus gewissensgründen, denken, dass ein reformierter zivildienst in sehr kurzer zeit zur umsetzung der ziele der solidaritätsstiftung beitragen könnte, ohne deren gründung abzuwarten. deshalb unterbreiten wir dem parlament und dem bundesrat folgende bemerkungen, empfehlungen und forderungen:

1. zulassung zum zivildienst: freie wahl drängt sich auf. die schweiz - dies stellt der bericht der kommission brunner fest - ist nicht mehr von einer invasion an den grenzen bedroht. die volksarmee wie wir sie gekannt haben, hat keine wirkliche militärische berechtigung mehr. zu einer zeit, in der mehrere europäische staaten die rekrutierung verschieben oder abschaffen, ist es auch zeit, ernsthaft über eine starke reduktion der mittel und finanzen der schweizer armee nachzudenken.
aus dieser perspektive ist es klar, dass das zivildienstgesetz nicht mehr angemessen ist, da es in der starken angst erlassen wurde, die soldaten könnten in grosser zahl die armee zugunsten des zivildienstes verlassen. die dauer des letzteren ist abschreckend (150% derjenigen des militär-dienstes). das anerkennungsverfahren, basierend auf einer gewissensprüfung, ist übertrieben restriktiv im vergleich zu denjenigen unserer europäischen nachbarn. eine ausübung des zivildienstes im ausland unterliegt starken einschränkungen, obwohl viele bürger wünschen, sich an aufgaben humanitärer hilfe, zivilen interventionen oder einer dauerhaften entwicklung beteiligen zu können. es ist auch nichts für die publizität des zivildienstgesetzes vorgesehen, so dass viele junge sich widerwillig rekrutieren lassen, ohne von der existenz einer zivilen alternative zu wissen.

wir fordern, dass schweizer bürger im rekrutierungsalter künftig seriös über ihre rechte informiert werden, so dass sie, gemäss ihrem gewissen, frei zwischen militärdienst und zivildienst wählen können. wir fordern, dass diese zwei dienstformen von gleicher dauer sind und von äquivalenten finanziellen mitteln profitieren. ausserdem muss der zivildienst auf freiwilliger basis offen sein für personen, die zur zeit ausgeschlossen sind: frauen sowie männer, die als dienstuntauglich erklärt wurden.

2. zweck des zivildienstes: einen dauerhaften frieden bilden. unsere vorfahren glaubten, dass sonne und sterne um die erde, das "natürliche" zentrum des universums, kreisen. sie glaubten an eine "natürliche" soziale ordnung, basierend auf der überlegenheit des weissen mannes, und legitimierten damit kolonisation, sklaverei, rassendiskriminierung und die unterwerfung der frauen. sie glaubten an eine "natürliche" schicksalshaftigkeit des krieges, die einen frenetischen rüstungswettlauf mit sich brachte, im namen des grundsatzes: "wenn du frieden willst, bereite den krieg vor". mehrere "kopernikanische wenden" haben gegenüber den meisten dieser ideen in dem masse recht behalten, dass eine rückkehr zum "ancien régime" , zur sklaverei beispielsweise, in zukunft undenkbar ist. wir glauben, wir stehen am beginn einer vergleichbaren wende im gebiet der kollektiven sicherheit. wir halten es für möglich, im laufe des nächsten jahrhunderts suizidär gewordene reflexe hinter uns zu lassen und den krieg als "natürliches" mittel, konflikte zwischen gruppen zu regeln, zu verbannen. es ist zeit, dass wir uns - durch internationale solidarität und zusammenarbeit, durch das erlernen gewaltloser techniken zur konfliktlösung - zivile mittel geben, einen dauerhaften frieden zu bilden, einen frieden, der keinen moment die "abwesenheit" zwischen zwei massakern bedeutet. die schweiz zählt grosse humanisten und pazifisten zu ihren bürgern: henry dunant natürlich, aber auch den kriegsdienstverweigerer pierre ceresole, gründer des service civil international. schon in den zwanzigerjahren dieses jahrhunderts leistete diese organisation pionierarbeit, indem sie internationale baustellen zur humanitären hilfe und zur wiederherstellung im krieg zerstörter dörfer organisierte. die offizielle geschichte hat solche vorkämpfer verdeckt. wir glauben, es ist zeit, diese grosszügige tradition helvetischen pazifismus' wieder zu beleben, um den zivildienst im sinne der solidarität und der friedensförderung neu zu organisieren. wir fordern, dass die bundesversammlung dringende massnahmen trifft, um das engagement von zivilisten im ausland in humanitären aufgaben, entwicklungshilfe, zivilen interventionen und der friedensförderung zu erleichtern. wir fordern, dass dem zivildient mittel und ausbildungsstrukturen zur verfügung gestellt werden, die mindestens denen der militärischen ausbildung entsprechen. dazu braucht es ein friedensinstitut, finanziert durch die solidaritätsstiftung. dieses institut hätte zur aufgabe, zivilisten eine seriöse ausbildung und unterstützung in prävention und lösung von konflikten, gewaltfreier kommunikation, mediation, zivilem widerstand und zivilen interventionen in konfliktgebieten zu gewährleisten. in kurzer zeit könnte eine solche ausbildung sichergestellt werden durch nichtregierungsorganisationen, die im gebiet der menschenrechte und der gewaltfreiheit aktiv sind, und die schon freiwillige für auslandeinsätze vorbereiten. falls die künftige solidaritätsstiftung ihre aktivitäten auf humanitäre soforthilfe beschränken müsste, fehlte ihr unserer ansicht nach ein wichtiger teil ihres zweckes: man kann sich darauf beschränken, feuerwehr zu spielen, von einem brandherd zum andern zu rennen. wichtiger ist es, zu einem teil an der prävention gewalttätiger konflikte zu arbeiten, aber auch am wiederaufbau: zum beispiel die rückkehr von flüchtlingen unterstützen, helfen, die verträge zwischen den gemeinschaften zu erneuern. einen dauerhaften frieden aufzubauen beinhaltet, gegen die ursachen von konflikten zu kämpfen: diskriminierung, soziale ungerechtigkeit, ökonomische gewalt, nichteinhaltung der menschenrechte und der demokratischen rechte. ein zivildienst, der diesen namen verdient, muss zum ziel haben, daran mitzuwirken. unterzeichnet von kriegsdienstverweigerern aus gewissensgründen, zum aktuellen zivildienst zugelassen oder nicht.

bisher unterstützt durch: centre martin luther king, lausanne, permanence sc de genève, beratungsstelle für militärverweigerung und zivildienst, zürich.
das französiche original kann bezogen werden bei roger gaillard vom centre martin
luther king , case postale 131, 1000 lausanne, tel. 021 661 24 34, fax 021 661 24 36.

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