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schandfleck.ch_archiv/2000/nr.1
daniel costantino
 

pflichten, rechte, freiheit


erstens mal habe ich die pflicht, ein schweizer zu sein, kraft geburt vom staate annektiert. man komme mir nicht mit rechten! was ist das für ein recht, das ich weder begehre noch mir herausnehme, weder akzeptiere noch zurückweisen kann! zu diesem famosen recht gehört selbstredend die wehrpflicht; noch heisst sie so und nicht wehrrecht. nur eine frage der zeit, bis gehorchen und morden, abmurksen und im militärdienst verblöden zu meinen menschenrechten gehört. ich bin also, noch, wehrpflichtig, weil ich ein mann bin. das heisst wohl nichts anderes, als ich habe meinen schutz mit der knarre im anschlag oder zumindest im kleiderschrank der ganzen weiblichen, kindlichen und bejahrten bevölkerung aufzuhalsen, ob sie ihn wünscht oder nicht, denn auch sie haben schweizer und schutzbefohlene zu sein, und zu dem zwecke mich an dieser knarre zu üben und zu schulen, mit bajonett und patronen zu hantieren, obristen und generälen, abschirmdiensten oder luftstaffeln, in bodentrupps oder an funkgeräten sogenannt zu dienen und dafür recht viel zeit und geld zu investieren. denn ich bin ein mann: bewaffnet, gerüstet, allzeit bereit. vielleicht will ich das aber nicht sein, nicht in diesem sinne, möchte, als freier schweizer, wenn schon noch selber bestimmen, wer meine feinde und wo sie zu suchen wären und auf welche weise ich mich zur wehr setze. vielleicht passt mir die ganze vereinnahmungsgeschichte nicht, die aufoktroyierten regeln, das macht- und sicherheitsstreben, das mich, einen aus dem volk, beherrscht, erscheint es mir qualitativ gleich und gleich schlecht, ob man macht mit pfeil und bogen, mit maschinengewehren und panzern, mit ideologien und pflichten ausübt; in der technik, und nur da, liegt der fortschritt des menschengeschlechts: vom kopfjäger zum gehirnwäscher, vom faustrecht zum recht, dem faustrecht in paragrafen, vom befehlsempfänger zum stimmbürger. vielleicht möchte ich dafür nicht in einer uniform geradestehen, nicht für die schweiz einstehen, nicht solchermassen den wirtschafts- und bankenstandort repräsentieren.

hiezu nun bietet mir die psychiatrie ihre hilfe an, redet in schönen worten von meinen unangepassten gedanken und gefühlen, weiss manche erklärung für meine traumatisch bedingten illusionen und pervertierten sehnsüchte, lässt sich in gehaltvollen auslassungen über meine psychostrukturen vernehmen. dann bin ich ein nervenschwacher mann, ein suizidal oder anderweitig gefährdeter neurotiker, ein depressiv oder sexuell oder überhaupt in der entwicklung gestörter psychopat, ein vom winkelried zum patienten degeneriertes geschöpf.
finde ich diese zuschreibungen, ohne die mir wiederum kein psychiater helfen kann, skandalös, erniedrigend und diskriminierend, muss ich mich nach einer bessern alternative umschauen. zivildienst? etwas sinnvolles tun? aha! als ob das militär etwas sinnloses wäre, als ob aus lauter blödsinn die lüge verbreitet würde, frieden sei mit waffen zu schaffen, als ob die geschichte des krieges, nach aussen und innen, des angriffskriegs, des bürgerkriegs, der unterdrückung der eigenen untertanen, mithin die ganze geschichte des christentums, eine bedauerliche unzulänglichkeit wäre, menschliche fehler und schwächen, aus der jeweiligen zeit heraus zu verstehen, als ob hinter der weltweiten kriegs- und überwachungs- und unterjochungsmaschinerie nicht sehr wohl ein tieferer, wenn auch geleugneter, getarnter, wenn auch schlechter sinn steckte: sich der menschen zu bemächtigen, sie zu instrumentalisieren, gefügig zu machen und gehorsam zu halten und das "humankapital" nutz- und gewinnbringend im namen von vaterländern, menschenrechten, schutzbedürfnissen einzusetzen.

nun also zivildienst, einem dummgehaltenen, aufgewiegelten, entwürdigten volk als sinnvoll verkauft, und es hat dem wie braves altes vieh wiederkäuend zugestimmt, indoktriniert bis zum scheitel über die jahrhunderte, arbeitsam über tausend generationen bis in die gene, realpolitisch vernünftig bis ins mark, und mir die chance und das recht (!) eingeräumt, mich für den zivildienst zu bewerben, als alternative zum militärdienst, nicht zur wehrpflicht, notabene, mich also darum bemühen zu dürfen, billige arbeitskraft zu sein, unter rabulistischer berufung auf mein gewissen, jenes tierchen in mir, das hinter allen verrenkungen und deformierungen irgendwo noch existiert und ein bisschen lebt und glaubt und findet, es habe eine schuld abzutragen und dürfe sich nicht allen zumutungen entziehen. und dann, nach diesen spiegelfechtereien mit der behörde, wenn ich glück habe, darf ich endlich, endlich sinnvoll arbeiten, was zu tun mir sonst nie eingefallen wäre!

arbeiten! das wort allein schon droht mit gefängnis, schmeckt nach strafe, alarmiert mein nervensystem, lähmt die zirkulation des blutes, ruiniert meinen kreislauf, irritiert nachhaltig den stoffwechsel, blockiert mir jeden trieb, raubt mir jede lust, spaltet den schädel gleich einer schulmeisterlichen kopfnuss aus dem hinterhalt, paralysiert wie der einschlagende blitz meinen verstand, fällt wie der berg auf mich arme maus. arbeiten! nützlich sein! meinen ohren ertönts wie ein fluch, schreits nach lebenslanger sühne, es steckt wie ein messer in der brust, hängt wie eine tonne gewicht mir an den schultern, zieht durch die nase wie krebserregendes gift, lastet unverdaut und brockenschwer auf meinem magen und schwitzt mir aus den poren wie kleistriger dung!

das soll mir gefallen! und erst noch müsste ich in meinen rechtfertigungschreiben und -reden verschweigen, dass es bei meiner militärdienstverweigerung keinesfalls nur ums nichttötenkönnenwollendürfen geht, sondern eben auch um jene dinge, die mit vereinnahmungen und konditionierung zu tun haben, mit macht- und herrschaftsstrukturen, mit unterjochung und knechtschaft, wozu der arbeitszwang im speziellen gehört, selbstverständlich recht auf arbeit genannt, menschenrecht, man höre die verlautbarungen allerorten und -enden.

ich führte mich selber ad absurdum. dort, wo ich beginne, mich uneingeschränkt ehrlich zu verhalten und aufhöre, meine herren zu loben, beginnt die dissidenz. wenn ich den aufrechten gang wage. natürlich nennt mans wiederum anders: egoismus, schmarotzertum und dergleichen. ich werde zur kriminellen unperson. und um meinen aufrechten gang fortzusetzen, erschiene ich nicht vor dem richter auf sein kommando, setzte mich nicht gesenkten haupts aufs stühlchen und blickte zaghaft auf in staatstragende gesichter und vorwurfsvolle mienen hoch über mir auf einer empore und hoffte auf milde bestrafung und hernach verhandelte ich mit der kantonspolizei über einen einweisungstermin in den knast und begehrte gar noch die erlaubnis, tagsüber arbeiten zu dürfen, sondern verweigerte auch diese unterwerfung und würde eines tages, früher oder später, zur verhaftung ausgeschrieben, bei einer zufälligen routinekontrolle oder in einer staatsaktion aufgestöbert und abgeführt und eingelocht.
erst da begänne meine freiheit.

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