schandfleck.ch_archiv/2000/nr.4 |
michael
mäder
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schwarze schafe und weiss- gelbe teufel | ||
zum
einstieg ein paar behauptungen:
· religion
ist immer gut gemeint solche aussagen stehen der behauptung von kirchen kritikern gegenüber, die religionen seien regelrecht prädestiniert dafür, konflikte hervorzurufen, hass zu schüren. welche behauptungen treffen zu? eine gretchenfrage. die uno registriert zur zeit etwa 80 verschiedene kriege auf der ganzen welt. bürgerkriege nich mitgezählt, stammes-streitigkeiten erst recht nicht. bei einem erdrückend grossen anteil sind die ursachen in religiösen umstimmigkeiten zu suchen. religion, nicht immer auslöser von gewalt, allermeistens aber argument, hinter-grund und nährboden des hasses. da könnte es sich lohnen, die oben genannten behauptungen gegeneinander aufzuwägen, uns bezüglich christentum diese gretchenfrage zu stellen: sind es einige (leider zu zahlreiche) schwarze schafe, die z.b. die bibel schlicht falsch interpretieren und deshalb zur verbreitung oder verteidigung ihres glaubens zu waffen greifen? oder verfechten sie ihren glauben mit waffen, weil sie die bibel eben gerade "richtig" auslegen? (wer dieses buch schon einmal angelesen hat, wird abstreiten, dass richtige oder falsche auslegung unterschieden werden können. wahrscheinlich einer der wichtigsten gründe für die jahrhunderte anhaltende faszination ( fascinare = lat. behexen) dieser lektüre. sie ist sozusagen zugeschnitten auf die grosse masse, jeder kann sich seine wahrheiten herauspicken, ganz nach seinem gusto.) will man sie schuld an christlicher gewalt ganz an die schwarzen schafe abschieben, müsste man sicher sein, dass das christentum an sich nichts intolerantes beinhaltet. sondern dass alle intoleranz, die von gläubigen christen ausgeht, bei diesen individuen selbst zu suchen ist. kann man die frage, ob die heilige schrift nicht schon an sich intoleranz stiftet, mit einem beruhigenden nein beantworten? kaum. denn ist intoleranz nicht schon in der tatsache verpackt, an einen gedanken (z.b. zur entstehung der welt) zu glauben, darauf zu beharren, ihn als unfehlbar und richtig anzuschauen? wird denn nicht, sobald man einen glauben als richtig ansieht, jede andere glaubensrichtung automatisch als falsch abgeurteilt? oder wenn nicht gleich als falsch, dann zumindest als nicht hundertprozentig richtig? die möglichkeit, dass mehrere, wenn nicht alle anschauungen und glaubensrichtungen richtig sein könnten, wird durch den wahrheitsanspruch der kirche völlig ausgeschlossen! gepachtete wahrheit ist doch ganz logisch:
wenn ich als christ mich der einzigen wahrheit, nämlich dem inhalt
der bibel, hingebe, wie soll denn das, welchem sich andere glaubensgemeinschaften
ebenfalls der wahrheit hingeben, entsprechen? unmöglich! steht auf
der einen seite die absolute wahrheit, kann auf der andern seite nur das
stehen, was von dieser abweicht. wäre nun der leide umstand, dass das christentum einen anspruch auf die wahrheit erhebt, nichts weiter als der zornige vorwurf eines antichristen, so könnte man noch nicht die kirche als ganzes dieser intoleranten, krieg provozierenden grundeinstellung beschuldigen. doch es ist mehr als ein bodenloser vorwurf. seit anbeginn seiner existenz ist die behauptung des christentums, die wahrheit zu verkünden, sein erfolgsgeheimnis. die antworten, die das christentum auf fragen nach dem sinn gibt, müssen ja als richtig und fehlerlos verbreitet werden. wie wären sie sonst glaubwürdig in den ohren der fragenden? wer wäre denn mit einer antwort zufrieden, der in klammer angefügt wird, sie könne eventuell auch nicht oder nur teilweise richtig sein?
bischof karl lehmann,
vorsitzender der deutschen bischofskonferenz, tat dies ende september
eindrücklich: "erfreulich ist der schwund jener arten von gruppenmoral, die gut und böse nach einer gruppenzugehörigkeit definieren, aus welcher sich dann automatisch das richtige verhalten oder die teilhabe der wahrheit oder beides zugleich ergibt. das nachdenken über die wahrheiten der mitglieder anderer gruppen, über den teil der wahrheit, den die anderen besitzen, und damit über das recht, das die andern haben, beginnt jedoch überhaupt erst, wenn man die normen der eigenen gruppe einer kritischen prüfung unterzieht." auch der englische
physiker sir herman bondi stösst sich daran, dass eine glaubensgemeinschaft
die wahrheit für sich pachtet: mission - gnadenlos diesen anflug von
überheblichkeit, diese das gegenüber fast etwas bemitleidende
überzeugtheit, die wahrheit zu kennen; jeder kennt sie, der schon
einmal auf der strasse von gläubigen aungesprochen wurde. doch führt
diese art von selbstüberzeugtheit auch unweigerlich zu unterdrückung
und krieg? ich würde sagen, dass zwei wichtige voraussetzungen für
denunzierung und unterdrückung gegeben sind: das abschieben der selbstverantwortung an einen gott. die entschuldigung, selbst ja nur die exekutive zu sein und im auftrag des herrn, des gesetzgebers, zu handeln. diese zwei punkte können ausreichen, um einen gläubigen dazu zu bewegen, zum mittel der gewalt zu greifen, um jemandes ansichten umzukrempeln. eines der wohl verächtlichsten kapitel der menschheitsgeschichte findet hier seinen nahrhaften boden: die mission. missionare können kaum von ihren untaten abgehalten werden, da sie aufrichtig glauben, das richtige zu tun. tieferer bildungsstand und wirtschaftliche und technologische nachteile der zu bekehrenden können von missionaren gnadenlos und gezielt ausgenutzt werden. einen interessanten artikel schrieb der journalist werner vogt in der nzz vom 14.7.1992: "ein interessantes
experiment spielte sich in der ersten hälfte des 17. jahrhunderts
in der gegend des lake erie ab. mit weitgehenden befugnissen der französischen
krone ausgestattet, nahm der jesuitenorden die evangelisierung kanadas
in angriff, wo insbesondere das volk der huronen zum christlichen glauben
bekehrt werden sollte. bemerkenswert ist die geschichte dieses kulturkontakts
insofern, als die von den indianern despektierlich als "schwarzröcke"
apostrophierten missionare in ihren jährlichen berichten zwar den
aberglauben der indianer und die von deren medizinmännern - von den
ordensbrüdern als scharlatane beschimpft - angeblich praktizierte
hexerei anprangerten, gleichzeitig jedoch des lobes voll waren für
das hochstehende soziale verhalten der autochthonen, die sie als wohltuende
abwechslung zu der von zerfallserscheinungen geprägten gesellschaft
europas empfanden. (...) die kultur der huronen war geprägt von gut
eingespielten basisdemokratischen entscheidungsprozessen, die auch die
trennung von ziviler und militärischer führung einschlossen.
matriarchalische elemente waren im zusammenleben zentral. (...) eigenbesitz
existierte in wesentlichen bereichen nicht, indem erzeugnisse und beute
aus landwirtschaft, jagd und fischfang an alle stammesangehörigen
verteilt wurden. persönlicher besitz existierte nur auf der ebene
der schmuckstücke und anderer für das leben in der natur nicht
essentieller objekte. ein sonderexempel, ein einzelfall? befragen sie (unbefangene!) historiker zur vergangenheit von zentral-australien, südafrika, brasilien, indonesien, mittelamerika, den kolonialstaaten afrikas, den filippinen..... auch christoph kolumbus war des lobes voll für das sozialverhalten der eingeborenen. hier wie dort, und wohl ganz allgemein, haben die christen diese moral kaputtgemacht, haben an stelle des menschenfreundlichen und gegenüber der natur rücksichtsvollen verhaltens grausamkeit, rücksichtslosigkeit, verschlagenheit und unersättliche besitzgier vorgelebt. wieviel leid wäre den menschen dieser länder ohne die christlichen europäer und ohne die missionierung wohl erspart geblieben! um wieviel wäre ihr leben heute lebenswerter! aber eben. keiner kann ja eigentlich etwas dafür. kein missionar, kein kirchengänger ist mitschuldig, kein bischof, kein papst. denn alles geschah auf geheiss von oben! welch schöne welt, dass man noch in den himmel darf als dank dafür, menschenwürde geschmäht zu haben! ein weiteres abscheuliches beispiel für die feige abschiebung der verantwortung an gott bietet ein nicht ganz unbekannter (aus: martin luther, "von den juden und ihren lügen, 1543, erlanger ausgabe xxxii): "dass man ihre
synagogen verbrenne, (...) dass man auch ihre häuser zerstöre,
(...) dass man ihnen verbiete, bei uns öffentlich gott zu loben,
zu danken und zu beten. (...) " das war luthers meinung bezüglich
der juden. und im freiheitskampf der geknechteten bauern ermunterte er
die "fürsten und herrn" zum dreinschlagen, stechen, würgen
und morden, da sie zu "gottes amtmann und diener von dessen zorn"
ernannt seien. "solche wunderlichen zeiten sind jetzt," zeigte
er doch auch ansätze von nachdenklichkeit, "dass ein fürst
den himmel mit blutvergiessen verdienen kann, besser als andere mit beten.
(...) bleibst du drüber tot, wohl dir, seligeren tod kannst du nimmermehr
bekommen. denn du stirbst im gehorsam göttlichen worts und befehls
und im dienst der liebe." (rö 13, 4) rückblickend brüstete
er sich: " ich, martin luther, hab im aufruhr alle bauern erschlagen,
denn ich hab sie heissen totschlagen, all ihr blut ist auf meinem hals.
aber ich weise es auf unsern herrn und gott, der hat mir das zu reden
befohlen." (aus: martin luther, tischreden, weimarer ausgabe, tr
3, 75) das ist eh eines der gefährlichsten und schleimigsten argumente der geistlichen: "wettert doch nicht so über die kirche, sie bewirkt heute viel gutes. klar gibt es ein paar schwarze kapitel in der kirchlichen geschichte, doch alles in allem gibt sie vielen leuten hoffnung und kraft." ein oftgehörtes, beschwichtigendes, auf den ersten blick einleuchtendes, aber gefährlich vom missstand ablenkendes argument. warum überhaupt schöpfen denn überhaupt so viele menschen lebenskraft aus dem christentum? vielleicht, weil sie unfähig sind, diese "lebenskraft" bei sich selbst und ihrer umwelt zu schöpfen? weil ihnen eingebleut wurde, dass sie sich diese kraft nicht selber, sondern nur ein gott sie ihnen geben kann? ist diese unfähigkeit, auf sich selbst zu vertrauen, eventuell damit zu erklären, dass ihnen eingetrichtert wird, eigenverantwortung doch bitte an einen gott abzutreten, da der diese besser wahrnehmen kann als das individuum selbst? wird diese unfähigkeit nicht vor allem damit gefördert, dass einem schon als kleinkind klargemacht wird, dass weit oben der wahre herrscher sitzt? ist es nicht schlussendlich diese unfähigkeit, auf sich selbst zu zählen, die der kirche das überleben sichert? das erfolgsrezept der kirche ist vergleichbar mit demjenigen eines guten werbebüros oder eines populistischen politikers: "auf wichtige fragen gib einfache antworten! für komplexe probleme biete simple lösungen. lass dich nicht auf diskussionen ein, sondern vertrete deinen standpunkt. mach kein gewirr mit differenzierungen, sondern teile ein in gut oder böse. in schwarz oder weiss. wunderheiler oder scharlatan. bush oder gore. freund oder feind. teufel oder gott. solche simplifizierten
schwarz/weiss-schemen hätten in der aufgeklärten welt von heute
immer weniger platz, sagt man. für diese behauptung spricht die drastisch
abnehmende zahl von kirchengängern im letzten jahrhundert. auch ist
es so, dass die gläubigkeit eines volkes sinkt mit den zunehmenden
möglichkeiten der informationsbeschaffung. seien wir froh drum! schwule
dürfen sich outen, frauen sich emanzipieren(*), kriegsverbrecher
dürfen angeklagt werden, "wahrheiten" dürfen ohne
bestrafung in frage gestellt werden. bildung mindert die gläubigkeit.
zum grossen glück für erdbewohner der "ersten welt"! pech aber für erdbewohner, die keine gute bildung geniessen können. pech für die (nach uno-schätzungen) 300`000 frauen, die allein auf dem afrikanischen kontinent jährlich beschnitten werden, die zusehen müssen, wie ihre pisse schubweise aus ihrer zugenähten vagina tropft, gleichzeitig aber überzeugt davon sind, dass gott es so will. zum glück für uns gutgebildete westeuropäer, werden doch hierzugegen menschen anderen glaubens schon als beinahe gleichwertig angesehen. oder etwa doch nicht? tja, noch immer regieren leute wie der bayrische cdu-ministerpräsident edmund stoiber, der per gesetz in allen staatlichen bajuwarischen schulstuben jesuskreuze aufhängen lässt! (zwar wurde zumindest dieser religionsminderheiten denunzierende fehltritt vom bundesverfassungsgericht bvg in karlsruhe zurückgepfiffen.) fürwahr, auch in europa versuchen glaubensvertreter mit allen mitteln, die gemächlich expandierende woge der vernunft aufzuhalten. jüngstes beispeil ist der italienische kardinal biffi mit seiner variante des klerikalen faschismus`: "die flut muselmanischer flüchtlinge (aus dem balkan) gefährdet die identität unserer katholischen nation. ich empfehle der italienischen regierung, nur noch flüchtlinge katholischen glaubens aufzunehmen." stürme der entrüstung nach solchen aussagen? ein zurückpfeifen dieses faschistischen kardinals, gar eine entschuldigung seitens der herrscher unter der gelb-weissen flagge, die dafür ja verantwortung tragen? weit gefehlt! im machtklüngel des übels wird päpstlich genickt und geschwiegen. ein jiddisches sprichwort scheint mir hier passend: "schwajgn heysst masskim sajn." auf deutsch: "schweigen heisst einverstanden sein." das traurige fazit könnte auch als weihnachtsrezept im tiptopf stehen: "man schlage das gelb und das weiss der vatikan-flagge zu schaum. man würze mit einem halben kaffeelöffel judenblut und schlage mit dem schwingbesen der gewalt, bis eine nazibraune, gleichmässige masse entsteht. mit dunkelbraunen, wenn möglich frischen hautfetzen von naturvölkern garnieren. erst kurz vor dem servieren aus dem kühlschrank des vergessens nehmen. bon appétit! ich empfehle folgende literatur zum thema: küng hans, christ
sein, piper, 1974 |
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