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schandfleck.ch_archiv/2001/nr.4
georg l'homme
kriegsspielzeug
"päng - du bisch tot"

erwachsene stellten mit zinnsoldaten berühmte schlachten nach, teilweise mit komplexen regelsystemen. die hersteller schufen spielmenschen mit mehreren armen und beinen in verschiedenen stellungen, die konnte man bei bedarf abschneiden. auch ohne die beweglichkeit heutiger plastikfiguren konnten so verschiedenste kampfsituationen dargestellt werden. in der offiziersausbildung hatten sandkastenkriege mit zinnfiguren ihren festen platz als lehrmittel für kriegsstrategie und taktik. dies ist der ursprung aller heute beliebten strategiespiele.
im 19. jahrhundert und vor den letzten beiden weltkriegen hatten kriegs- und soldatenspiele grosse erzieherische bedeutung. sie finden sich beispielsweise im "illustrierten allgemeinen familien-spielbuch" ebenso wie in lehr- und stundenplänen von kindergärten und schulen. spielen mit zinnsoldaten sollte die gut-bürgerlichen buben über ihre geschichte und aktuelles weltgeschehen belehren, über waffentechnologie informieren und zu "vaterländischer gesinnung erziehen", mit dem ziel, die patriotische wehrbereitschaft zu sichern! von kleinauf galt es, "dem gedanken der pflicht gegen die eigene fahne zu frönen und deutlich zu machen, dass die grossen kriege die eigentlichen marksteine der weltgeschichte sind."!
im rollenspiel mit gewehren, säbeln und uniformen sollten die kinder organisiertes diszipliniertes handeln als vorform militärischer übungen erlernen. spielend lernten sie feinde zu vernichten. in der anleitung zum spiel "jetzt fahrn wir gegen england" hiess es: "was euch in wirklichkeit noch nicht vergönnt ist, auf dem kommandoturm eines u-bootes zu stehen oder in schnellem flug der englischen küste entgegenzustreben, das könnt ihr jetzt im spiel erleben. mit diesen kleinen u-booten
und flugzeugen sollt ihr "gegen" england fahren und könnt dabei, wenn ihr euch geschickt anstellt, die ganze englische flotte vernichten"!!!
auch im 19. jahrhundert gab es verstreut gegner der beliebten kriegsspiele. so fragt jean-jacques rousseau: "werden kinder (…), die spielend kämpfen, zuletzt nicht durchweg ernstlich böse?" - in berlin wurde nach dem 1. weltkrieg ein heute noch bestehendes antikriegsmuseum gegründet. unter dem schlagwort "verbrecherisches spielzeug" wurde kriegsspielzeug zur schau gestellt - bis zum nächsten krieg.

krieg ist heute als aufmarsch von armeen kaum noch vorstellbar. die bedeutung von miniatursoldaten ist dementsprechend zurückgegangen. wesentlich attraktiver finden kinder jedoch spielzeug mit hochentwickelter militärischer technik. kriegsfantasien orientieren sich aktuell weniger an realen kriegen als an science-fiction- und fantasy-stoffen. sie sind ein bunter mix aus high-tech, komputergesteuerten waffen, robotern und märchen, sagen, fabelwesen aus einer anderen welt mit übernatürlichen kräften. primär zukunftsvisionen oder fantasien und albträume von erwachsenen. deren "helden" sind batman, he-man oder pokemon. - seit den 60er jahren hat plastikspielzeug blech- und metallspielzeug verdrängt. mit formbarem plastik lassen sich sci-fi- und fantasy-welten unbegrenzt variieren und reproduzieren. comix, tv und spielwaren können seither unmittelbar aufeinander abgestimmt werden, fortsetzungen sichern den umsatz auf jahre!
der ewige kampf zwischen "der guten und der dunklen seite der macht" wird kommerziell ausgeschlachtet. nachfolgende haben das grundtema krieg-gut-böse und die verwendeten mittel lediglich variiert.
aber: die helden dieser serien sind nicht etwa kriegslüstern oder kampfgeil, sondern eigentlich sehr friedliebend. nur müssen sie sich dauernd gegen angriffe aus dem all oder von "bösen mächten" verteidigen und die welt erretten. dies tun sie gar nicht so ungern, steht ihnen doch ein imposantes technisches waffenarsenal zur verfügung. und die sympatischen helden mutieren in mächtige kämpfernaturen. dem menschlichen krieger stehen als helfershelfer roboter, kampfmaschinen oder fabelwesen zur verfügung. beherrschung der technik und der übersinnlichen fähigkeiten ist zentrales tema der kampfspielgeschichten.

neben dem komputer liefern sich kinder und junge erwachsene am spieltisch stundenlang kriege mit kampfmonstern aus plastik: ein 24jähriger beugt sich über den schlachttisch und bringt seine armee aus mehreren dutzend plastikmonstern in stellung. auf der gegnerischen seite besammelt sich eine horde von kampfrobotern. die würfel sind gefallen, der schlagabtausch beginnt: "plasmawerfer, stärke 3, 4 schuss!!" und er rückt mit einem panzer vor. der andere muss erste kämpfer vom tisch nehmen, "kanonenfutter". vor dem nächsten zug wird mit dem metermass geprüft, wie weit die psi-strahlen der waffen reichen. es geht darum, mit einer armee aus kleinen figuren das heer des gegners zu vernichten.
was bringt erwachsene dazu, nachmittagelang mit kleinen plastikfiguren namens "grosser verpester" oder "torgrim vollbart" zu spielen? "warhammer ist fast noch besser als schach", lobt ein edv-techniker. das spiel sei intellektuell anspruchsvoll, erfordere viel strategisches denken. zudem sei es eine abwechslung zu komputergames und "erst noch sozialer".
weil das spiel sehr komplex und die einsatzmöglichkeiten sämtlicher figuren vorbestimmt sind, gilt es wenig geeignet für kinder. aber auch wegen seines ausgesprochen martialischen inhalts und der glorifizierung von waffen und krieg. "massig gemetzel", verspricht sein eigenes magazin, und schwärmt von "säuberungen" und dem "todesmut" eines stammes.

was den einen ein vorzug: "es ist ja alles eine fantasiewelt. gott sei dank hat es nichts mit realem krieg zu tun." den andern ein greuel: "so was gibt's ja gar nicht. kinder sollten lieber ihre eigene welt nachspielen." - wie auch immer, als kriegsspielzeug bezeichnet kaum jemand die action-figuren, da sie nicht realistisch genug sind.
es gibt aber eine historische verbindungslinie von militärischem spielzeug hin zu heutigen scifi-figuren. spielzeug ist immer abbild seiner zeit. früher zeigten erwachsene kindern gegenwart und vergangenheit des krieges in modellen. heute sind es bilder und figuren der zukunft. früher war kriegsspielzeug ein akzeptiertes erziehungsmittel, in der zwischenzeit haben sich die wertmassstäbe der eltern gewandelt. kriegerisches, gewaltverherrlichendes spielzeug ist es geblieben!

kinder haben das bedürfnis, (medien-)erlebnisse auszuspielen. das rollenspiel ist wie ein nacherleben und damit verarbeiten. wenn kinder aggressive szenen spielen, können sie erregung und anspannung loswerden, das gesehene wird begreifbar und macht keine angst mehr. - kinder lieben eindeutigkeiten. "ist der gut oder böse?" möchten wir doch gerne differenziert urteilen. dennoch ist im kleinkinderalter die-ses schwarzweissdenken vorhanden. der kampf zwischen gut und böse wird im rollenspiel lustvoll durchgestaltet, das gute muss dabei immer siegen.
in action-spielsets wird eine welt von gut und böse ohne graustufen gezeigt. die figuren verkörpern überholte feindbilder und rollenklischees, die geschichten propagieren etisch fragwürdige positionen zu macht und gewalt. - solche spielfiguren sind kindern auf jeden fall ein modell für gewalttätiges verhalten, imitationslernen. die spielvorlagen sind dann als modell wirksam, wenn kinder ihren alltag darin wiedererkennen. wird auf konflikte zu hause und in der tv-familie vorwiegend mit macht und gewalt reagiert, kann das spiel verstärkend wirken. dann befreien sich die kinder im spiel zwar kurzzeitig von spannungen, bleiben aber in gewalttätigen rollenvorgaben gefangen. die faszination der gewalt kann nur durch erleb
nisse gewaltfreier emotionalität, zärtlichkeit und geborgenheit abgeschwächt werden.

aggressives spielzeug löst ebensolches verhalten aus. auslösen, aber nicht verursachen. in gewaltspielzeug ursachen aggressiven verhaltens zu sehen, ist absurd. minipanzer und waffenbestückte action-spielsets zeigen einen ausschnitt der erwachsenenwelt. nicht zufällig entstand he-man im kalten krieg als ein blonder, weisshäutiger held, skeletor kommt aus dem osten und verkörpert das reich des bösen.

als "das reich des bösen" hatte der damalige us-präsident bereits die sowjetunion bezeichnet. kinder wissen von diesen paralellen zu politik und gesellschaft meist nichts. zum ausdruck ihrer feindseligen gefühle finden sie aber gegenstände, symbole und zeichen vor, die besetzt sind mit politischen inhalten und feindbildern.

so findet krieg eingang in die subjektive kinderwelt, sein eigenes erleben, fühlen, träumen, fantasieren und ist zwar als schlechte, aber denk- und akzeptierbare lösung von konflikten vorhanden.

jedoch müssen mit kriegsmodellen spielende erwachsene ihr erwachsensein verleugnen. sie müssen das wissen um die schrecken des krieges verdrängen!

obwohl wir zumindest in der schweiz seit einigen jahrzehnten keinen offenen krieg erleben, hat krieg eine sinnliche erfassbare gegenwart. diese äussert sich im spielzeug, in kriegsfilmen, heften, spielen, informationsmedien, computerspielen, militärwerbung und - abstimmungen bis zum armylook der kleidung.

"kriegsspielzeug? führen wir nicht!" antwortet die verkäuferin in der spielzeugabteilung mit leichter empörung. und die plastikpistole zu fr. 8.95? "also, das fällt bei uns unter fasnachtsartikel." weiter hinten sind die regale vollgepackt mit figuren und fahrzeugen aus sci-fi und fantasy-serien. ein grosser teil der figuren ist bewaffnet, auch die raumgleiter, raupenfahrzeuge und die tierähnlichen monster sehen martialisch aus! - kriegsspielzeug sollte seit wenigen jahren nur noch selten in warenhausregalen anzutreffen sein. loeb, globus, migros und coop führen kein explizites kriegsspielzeug (wie ferngesteuerte panzer, realitätsgetreue soldatenfiguren) mehr. andere hätten auch nur noch käpslipistolen und so. diese abrüstung im kinderzimmer ist insbesondere dem engagement von ngos in der romandie zu verdanken.
komputerspiele sind von diesem trend allerdings nicht betroffen, sie werden weiterhin aufgerüstet. und, gleichzeitig haben immer mehr kinder einen riskanten spass mit ihren imitationswaffen. nicht ungefährlich sind solche imitate, es gab schon schwere unfälle! eine einschränkung des handels erfolgt höchstens auf freiwilliger basis. empfohlen wird, diese pistolen wenigstens erst an nutzer über 18 jahren zu verkaufen. "kriegsspielzeug" ist ein pfuiwort, das die peinlichkeitsgrenze verletzt. "was würdest du als kriegsspielzeug bezeichnen?" fragte vor jahren eine kinderzeitschrift ihre leserschaft von 9 - 14 jahren. einig sind sich die kinder bei schusswaffen (gewehre, pistolen, kanonen) sowie panzern und anderen militärfahrzeugen. nicht als kriegsspielzeug erachten sie pfeil und bogen, dolche und anderes indianerspielzeug. - je mehr figuren und waffen der aktuellen wirklichkeit entsprechen, desto stärker wird eine gefährdung von kindern angenommen. Je weiter sie historisch und kulturell von uns entfernt sind oder gar fantasiewelten darstellen, desto harmloser werden sie eingeschätzt. ist das aus lego gebaute maschinengewehr ein kriegsspielzeug? oder der stock, der für das kind eine pistole ist?
ein deutscher alt-bundesjustizminister bezeichnete als kriegsspielzeug alle nachbildungen von waffen, raketen, militärischen fahrzeugen wie panzern, flugzeugen, alle attribute für die darstellung von kampfsi-tuationen oder schlachtfeldern, sandsackbarrikaden, zerstörte häuser, ruinen, bunker etc. dieses material lasse nur einen bestimmten gebrauch zu, nämlich den krieg nachzustellen und nachzuspielen. - anstatt von "kriegsspielzeug" sollte umfassender von "gewaltspielzeug" gesprochen werden, da damit auch kämpfende monster und fantasy-gestalten einbezogen werden! diese bezeichnung soll verdeutlichen, dass machtausübung, gewalttätigkeit, und gewaltverherrlichung bestandteil der meisten actionserien sind, welche ja den kampf zwischen gut und böse als ausgangspunkt haben.

mit gesetzlichen verboten von gewaltspielzeug ist wenig erreicht, da eine abschliessende einteilung nahezu unmöglich erscheint und die kampfhandlungen abstrakte, realitätsferne formen haben.
immerhin bleiben länder, in denen die öffentliche meinung gegen klassisches kriegsspielzeug ist, vom import von folterpuppen oder ähnlichen geschmacklosigkeiten verschont!

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