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schandfleck.ch_archiv/2002/nr.2
michael mäder
toblerarme
die grenze war erreicht. endgültig. tobler dampfte innerlich. dieser korporal baumann, den er ärgerlicherweise stark benied, weil der, wie irgendweshalb zu vermuten war, eine schöne, daheim auf ihn wartende freundin haben musste, dieser baumann brachte das fass zum überlaufen mit seiner bemerkung über toblers im vergleich zu den andern wahrlich auffällig unmuskulösen, weisslichen oberarmen. gescheiter hätte er das zwar noch verschwitzte junior-club-t-shirt (über das allerdings auch schon gespöttelt worden war) angezogen für diesen "militärsportlichen fähigkeitstest", und sicher nicht das seine rötlich-fahle hagerkeit noch betonende träger-hemmli. seine oberarme, verdammt, er hätte sie sich abhacken können. was toblerone für arme, wäre tobler ohne arme: ein genuss! ja, er wäre behindert, solchenfalls, bedauernswert hilfsbedürftig (und umsorgt wohl, anders geliebt gar?), aber: seine steckig herunterhängenden, mit spitzen ellenbögchen bestückten "wattestäbchen" (ja, korpi baumann lag mit dieser bezeichnung von vorhin schmerzlich richtig, sonst hätten ja nicht alle gejohlt.), die wattestäbchen wären weg und vergessen.

abstrus, dass er sich just in diesem moment solche gedanken machte, denn war er nicht immer noch der begrölte mittelpunkt in diesem halbkreis stämmiger rekruten? nätürlich war und blieb er es. seinen zittrigen blick erhob tobler nun, weg von der auf den turnhallenboden geklebten kreuzung mit der dickeren roten und der dünnen, unterbrochenen hellblauen linie (die spielfeldbegrenzungslinienkreuzung hatte er eine ganze zeit angestarrt.) hinauf bis auf augenhöhe der ihn quasi umzingelnden mitrekruten. er erkannte, dass die schmähung noch keineswegs vorüber war; ein ihn mit freud` und hohn geradezu aufspiessender, dann sofort zu seinem kreisnachbarn weiterschwenkender blick blitzte ihm entgegen. dieser zurückhaltende blonde war es, der ihm schon einige male auf nicht unsympatische art aufgefallen war, beim essen fassen oder so. jetzt lacht der ihn also ungehemmt aus, mann, der kannte ihn doch gar nicht. von diesem blonden pilzfrisierten hatte tobler zuweilen gedacht, der könnte noch einer sein, mit dem er ein gespräch hätte anfangen können. das ist jetzt wohl aus. so eine verständnisbereitschaft hatte er im pilzschopf zu erkennen geglaubt. doch offenbar: trug und irrnis all dies hoffen. die fratze der ihn als ganzes verschmähenden realität zeigte sich in des blondschopfes genüsslichkeit. wie ein plätteler vom 10-m-brett; die wasseroberfläche weicht keinen millimeter, nach dem aufschlagen düstere orientierungslosigkeit, beim auftauchen die allseits beäugte, zum vorschein kommende rote haut; öffentliche seelenpeitschenhiebe, jeden einzelnen verdient und verschuldet. höchststrafe wegen fahrlässiger dümmlichkeit. als zögen sie ihn an seinen knochigen fussgelenken - die zehen nach unten gerichtet - über den turnhallenboden, als böge sich seine nase, aufgrund fehlender kraft, den kopf noch zu heben, nach oben, ein grässliches, quietschendes geräusch von sich gebend, das sich vermischte mit dem kreischig hallenden gelächter der mitrekruten.

scheisse; schlimmer als solche horrorgedanken war einzig das nagelbrett der wirklichkeit, auf dem er nun wieder landete - sie standen ja immer noch in diesem halbkreis. die vorgesetzten waren beschäftigt mit dem streichen von namen aus einer liste. die rekruten lachten - ob erneut oder immer noch wusste er nicht. er wisse nicht genau, wie liegestützen aussähen, hatte einer gesagt. tobler solle doch ein paar vorzeigen.

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