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schandfleck.ch_archiv/2002/nr.4
georg l'homme
zur alltäglichkeit des krieges episode ll
wir alle kennen aus film, nachrichten, magazinen usw. das umfeld des waffengebrauches: verfolgungsjagd, kampfszene, waffendrohung oder aggressive gestik und mimik. bereits kinder können dies verblüffend genau nachahmen, lernen gewalttätiges verhalten zunächst zu imitieren. beunruhigend ist vor allem die vorstellung, im verhalten der kinder, in deren einstellung zur gewalt könne sich dauerhaft etwas ändern. kann man sich denn an gewalt gewöhnen?
- sicher! einerseits nehmen wir die fülle von gewaltdarstellungen in zeitungen, fernsehserien und -nachrichten, kinofilmen, liedern und auf plakaten gar nicht mehr wahr. wir schalten ab, filtern all die reize, verdrängen die unmenge der optischen und akustischen beschallung. andererseits erfordert es immer stärkere reize, um uns in spannung und erregung zu versetzen. gewalttätigkeit ist normal! - habt ihr schon den reportagenfilm "bowling for columbine" gesehn?

fast allwöchentlich ist die pilgerfahrt von kriegern durch die ganze schweiz per öv. das militärische wird präsent in jedem leben, uniformen mischen sich zwischen normale menschen. touristen und durchreisende sind oft erstaunt und schockiert über dieses kriegerische, jedoch für viele eidgenossen nicht aussergewöhnliche bild. sie fragen erschreckt, gegen wen denn die schweizer gerade krieg führten!...
samstag morgens um halb neun in schweizerischen hauptbahnhöfen findet die grosse truppenverlegung statt. und sonntagabends geht die militarisierte zone rechtsumkehrt wieder zurück. bei der heimfahrt patrouillieren gar mittlere militärs (korporale oder so) in den zivilen zügen, um für recht und ordnung zu sorgen. sie patrouillieren in den zügen, verbreiten unbehagen, kontrollieren, ob sich "ihre" rekruten auch ja anständig benehmen. und der markt spielt: die passaggio-minibar hat sich angepasst, verkauft samstagmorgens um halb neun auf soldatenstrecken 5-liter-feldschlösschenfässer.
die werbeindustrie ist ebenfalls auf den zug aufgesprungen, soldier sells: für die swisscom verabschiedet sich der fliegertruppensoldat von seiner freundin am perron. - der schoggihelvetier in rs-montur freut sich in einem wartsaal auf "früschä feijnä zöpfä".

gut, dass wir uns so an deren allgegenwart gewöhnen - ja richtig wir gewöhnen uns an die soldaten! wer wundert sich denn, heerscharen von uniformen zu begegnen? es erinnert uns doch höchstens an den erneuten rsstart. - falls die ordentlichen polizeien in personalengpässe geraten sollten, wird die armee einspringen. bereits seit anfang der 90er-jahre wird die hilfspolizistenrolle der militärs systematisch ausgebaut. soldaten sind aktiv in der verteidigung unseres vaterheimatlandes, sorgen für recht und ordnung: einige dutzend söldner bewahren den europäischen gottesstaat, 150 berufskrieger schützen unsere schweizergrenze gegen "flüchtlinge und immigranten", 60 durchdiener bewachen gleichzeitig botschaften (total 700 diener im jahr), und eine unbekannte zahl von festungswächtern und milizsoldaten wurden und werden bei grossanlässen wie beispielsweise dem wef in davos eingesetzt! letztere hätten "keine eigentlichen polizeiaufgaben", sondern betrieben nur objektschutz, allerdings mit geladenem sturmgewehr im anschlag.

aber was solls, denn in jedem anständigen eidgenössischen haushalt befindet sich ein subventioniertes sturmgewehr! totgefährliche tradition, ist das sturmgewehr stets griffbereit zu hause zu haben! verschiedene gewalttaten und drohungen mit der häuslichen armeeknarre sorgen in der jüngsten vergangenheit für schlagzeilen: ein mann wird im kino mit einem sturmgewehr erschossen, der amokläufer mordet dank militärwaffe (von steuern finanziert), und in zahlreichen fällen wurden menschen mit dem sturmgewehr bedroht! mann ist versucht, den rechtsstaat anzuklagen, der fahrlässig beihilfe zum mord leistet.
aber hierzulande noch lange kein grund, die gut 420'000 sturmgewehre einzuziehen, wär ja noch schöner, wenn die waffenbesitzer ihren stolz zurückgeben müssten. und dennoch bestätigen kriminologen: "eine griffbereite waffe ermuntert zur tat."

wer von euch hat kein swiss army knife zu haus? tja, und so wie wir alle was so praktisches haben, lässt sich mit dem qualitätsmerkmal arbeiten. vor langen jahren machte schon die firma "victorinox swiss army knives, watches and sunglasses" in den usa folgende werbung: "history's best equipped army isn't alexander the great's, ceasar's, or charlemagne's. but that of a small country with really good cheese. switzerland. the swiss alps are postcard perfect. yet inside they house hospitals, army divisions and enough petroleum to fuel the military for over a year. seemingly innocent chalets double as storage depots." [die am besten ausgerüstete armee der geschichte ist nicht die alexanders des grossen, caesars oder charlemagnes. sondern die eines kleinen landes mit wirklich gutem käse. die schweiz. die schweizer alpen sind postkarten-perfekt. jedoch im innern beherbergen sie spitäler, armeedivisionen und genügend benzin, um das militär für über ein jahr zu versorgen. scheinbar unschuldige chalets dienen als lagerhäuser.] exklusiver geschmack war halt schon immer etwas teurer, aber es nur schon zeigen zu können, lohnt sich doch.

hierzulande gibts noch mehr so praktische dinger. angehörigederarmee und deren angehörige können einander fresspäckli neu bis 5 kg gratis per privatisierter post zuschicken - der inhalt soll übrigens nicht kontrolliert werden... und päckli im tarnanzug können sogar schon vorgefertigt als swissarmypack erobert oder erstanden werden.
und trotzdem. die helvetische militärküche ist besser als ihr ruf. unlängst hat unsere militärköchenationalmannschaft (so was gibts wirklich!) an deren weltmeisterschft (ja, sogar das gibts) in luxemburg die goldmedallie "unter feldbedingungen" erkocht...

das war wieder ein fest!
habt ihr schon mal mitgemacht beim knabenschiessen? da werden übrigens keine, wie so oft mit einem schmunzeln missverstanden wird, knaben geschossen!... das grosse volksfest, organisiert von der schützengesellschaft der stadt zürich, ist ein wettschiessen der 13 -16 jährigen knaben, an dem seit 1991 auch mädchen und nichtzürcher mitschiessen dürfen. der schützenkönig steht meist erst am feiertäglichen knabenschiessenmontag nach dem ausstich fest. der sieger (oder die -in) darf sich neben einem hohen militär posieren. daneben findet die gigantische chilbi statt.
nach beginn des 19. jahrhunderts bildete das knabenschiessen den abschluss der waffenübungen (= rs) der zürcher jugend, das "von alters her darauf abgesehen gewesen sey, zürichs söhne zu kriegern zu bilden und sie zur vertheidigung ihres vaterlandes geschickt zu machen."
getreu dem motto "den frieden kriegen wir auch noch hin!"

amen

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