news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
schandfleck.ch_archiv/2003/april
 georg kreisler

eine glosse, aber nicht nur

über medien und israel

ich habe mich zwar immer für einen intellektuellen gehalten, aber das muss ein irrtum sein. im jahr 1914 waren die meisten intellektuellen für den krieg, und da wäre ich dagegen gewesen. allerdings war ich damals noch nicht geboren, pech! und im jahr 1933 waren die meisten intellektuellen für hitler, da wäre ich gegen hitler gewesen. allerdings war ich schon damals ein jude, kunststück! aber heute sind doch die meisten intellektuellen für saddam hussein, pardon, ich meine: gegen die amerikaner - nein, auch das nicht, nur gegen bush, sagen sie. aber da bin ich ja schon wieder kein intellektueller. der intellektuelle heribert prantl schreibt in der "süddeutschen zeitung" nicht gegen bush, sondern: "(die amerikaner) haben die uno verhöhnt, die nato diskreditiert und die transatlantische freundschaft gering geschätzt.

sie haben der weltöffentlichkeit die fetzen der un-charta vor die füsse geworfen und der weltöffentlichkeit die fehde erklärt. sie schieben freiheit und recht beiseite. der bombenkrieg ist eine annäherung der weltmacht an die barbarei. die weltmacht als wüterich." so viel blühenden propaganda-unsinn habe ich damals auch im jahr 1938 im "völkischen beobachter" gelesen, als es
statt gegen die amerikaner gegen die tschechen ging. gegen die tschechen sagt heribert prantl diesmal nichts, aber in einem anderen teil der "süddeutschen zeitung" desselben tages lese ich: "ist deutschland, ein land der coca-cola-trinker und der sexuellen freizügigkeit, verbündet mit israel?" und gleich daneben wird von einem rendsburger arzt berichtet, der die behandlung von us-bürgern ablehnt, er sieht es nicht ein, verbrecher zu behandeln, sagt er.

und das erinnert mich daran, dass man in wien ab 1938 als jude auch nicht zu einem arischen arzt gehen durfte, so stand es damals in der zeitung, weil man einem deutschen arzt nicht zumuten könne, verbrecher zu behandeln. na ja, sage ich mir, ich lebe ja nicht in deutschland, sondern in der schweiz, also greife ich zur "basler zeitung" des gleichen tages. da liest man zwar auch die tendenziösen titel "us-rakete tötet frauen und kinder" und "bush
übt bereits durchhalteparolen" und überhaupt nichts böses über saddam hussein, aber was juden betrifft, berichtet die "basler zeitung" kommentarlos: "bei einer friedensdemonstration in new york wurde skandiert: <occupation is a crime in iraq and palestine>."

welche okkupation damit gemeint war, verschweigt die "basler zeitung", und auch mir fällt keine ein, da ja weder irak noch palästina besetzt sind. die "basler zeitung" berichtet auch von einer friedensdemonstration in paris, bei der allerdings von frieden keine rede war: "eine gruppe von jugendlichen, die ihre gesichter mit palästinensertüchern vermummt hatten, stürzte sich mit dem ruf   <y a des juifs> (für nichtintellektuelle: <dort sind juden> auf französisch, nicht auf arabisch) auf am strassenrand stehende angehörige der jüdischen vereinigung hashomer hatzair, die in diesem quartier ihr lokal hat. mehrere mitglieder dieser jugendorganisation wurden dann mit holzknüppeln angegriffen und verletzt." und in der gleichen ausgabe schreibt ein filmkritiker: "frida kahlo war latina, halbjüdin, kommunistin und bisexuell", bevor er den film "frida" gründlich verreisst.

es versteht sich von selbst, dass dieser intellektuelle diese vier
bezeichnungen negativ wertet, wobei der ausdruck "halbjüdin" eine erfindung des "dritten reichs" ist, weil sie voraussetzt, dass juden eine rasse sind, was ja unsinn ist. aber schliesslich hat auch saddam hussein beteuert, dass er nicht nur die amerikaner bekämpft, sondern auch die zionistische weltverschwörung, darauf muss ein intellektueller rücksicht nehmen. nun hat mir schon meine mami im vor-hitler-wien eingeschärft: "bubi, fall nicht auf! am besten ist, nicht gesehen zu werden." und meine mami hatte immer recht.
allerdings ist dann der hitler trotzdem nach wien gekommen. aber so weit ist es noch nicht, gerade in der schweiz muss man nicht deswegen gleich auf gepackten koffern sitzen.

man kann ja einfach alle öffentlichen plätze und gebäude vermeiden und sich auch in parkgaragen, schwimmbädern und restaurants nicht blicken lassen. zu theatervorstellungen, filmen und konzerten kann man im letzten moment kommen und erst platz nehmen, wenn der zuschauerraum bereits verdunkelt ist. kurz vor ende der vorstellung sollte man, um ja nicht gesehen zu werden, rasch nach hause gehen, womöglich auf nebenstrassen. wenn das persönliche erscheinen in einem öffentlichen gebäude unumgänglich ist, kann man sich ein grosses kruzifix umhängen und wenn nötig vorher die nase operieren lassen.

wenn jemand sagt: "nicht alles, was der hitler gemacht hat, war schlecht", sollte man einverständnis nicken und auf die deutschen autobahnen hinweisen. wenn rabiate antisemiten behaupten, dass amerika nur von juden wie bush, cheney, rumsfeld, rice und powell regiert wird, kann man ihnen ins ohr flüstern: "übrigens, die protokolle der weisen von zion gibt es jetzt auch als film." aber dann sollte man auch in der schweiz einen lebensmittelvorrat anlegen, sich seiner blutgruppe vergewissern, feuerfeste kleider tragen, die
lebensversicherung überprüfen, die haustiere verkaufen und sofort viel intensiver beten als bisher. zu empfehlen wären samos oder tonga.

news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
nach oben >>>