news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
schandfleck.ch_archiv/2003/april
 sandra kreisler

antwort auf den artikel meines vaters: georg kreisler über medien und israel

jetzt ist also georg kreisler kein intellektueller mehr. wenn er sich als solcher definierte, nur weil er angeblich immer gegen den mainstream aufgetreten ist, scheint fraglich, ob er je einer war. in den 60er jahren war er jedenfalls nicht "gegen den mainstream", sondern gegen das establishment, das ist ein fundamentaler unterschied.

zu sagen, dass 1933 "die meisten intellektuellen für hitler" waren,
ist natürlich zumindest polemisch.

aber wenn er nun insinuiert, dass george w. bush diesen krieg aus lauteren motiven führt, weil nämlich saddam hussein ein böser mensch ist, dann scheint er tatsächlich kein intellektueller zu sein.

georg kreisler hat trotzdem recht.

er hat selbstverständlich recht, wenn er darauf hinweist, dass saddam hussein ein gefährlicher, bösartiger und menschenverachtender diktator ist, und wenn er meint, dass das irakische volk die freiheit verdient.

er hat recht, wenn er sagt, dieser krieg werde auch benützt, um
antisemitische und antiamerikanische ressentiments zu schüren.

er hat vor allem recht, wenn er das als eine gefahr sieht, die in ihrem ausmass jetzt noch nicht einzuschätzen ist.

(ich möchte allerdings auch kurz erwähnen, dass antisemitismus in erster linie die juden bedrängt, während antiamerikanismus sicherlich zuvorderst für die antiamerikaner gefährlich ist ...)

jedenfalls: dass die medien hier eine mehr als unrühmliche rolle spielen, kann gar nicht oft genug betont werden.

aber wenn er meint, dass das ausreichende gründe sind, um für einen solchen krieg zu sein, dann hat er unrecht.

nur weil manche leute aus den falschen gründen für eine gute sache sind, macht das die sache an sich nicht schlecht.

das gilt allerdings sowohl für kriegsgegner als auch für kriegsbefürworter.

die kriegsgegner haben - egal aus welchen motiven sie gegen diesen krieg waren - verloren: der krieg ist eine tatsache.

aber bei den kriegsbefürwortern stellt sich jetzt die frage, ob sie nicht doch den bock zum gärtner gemacht haben.

bis heute ist es mir schleierhaft, warum es angeblich keine andere
möglichkeit gab, um saddam zu entmachten, als bomben auf ein ausgehungertes land zu werfen.

das heisst, nein, natürlich ist es mir nicht schleierhaft, denn saddam an sich war ganz offensichtlich nicht das wirkliche thema dieses krieges.

es ist meines erachtens skepsis angesagt, wenn bush und seine berater von einer irakischen demokratie reden, die sie erstellen wollen. nicht nur, weil eine solche "demokratie", von aussen oktroyiert, von vornherein zum scheitern verurteilt wäre, sondern vor allem auch deshalb, weil herr bush es schon in seinem land nicht für notwendig erachtet, die menschenrechte zur gänze zu achten.

ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass ein präsident, der seine
eigene wahl erschlichen hat, darauf zunächst günstlinge einsetzt, und mit gott im mund sofort daran geht, die unterstützung der armen zu beschneiden, die umwelt weiter zu schädigen und die restliche welt zu verärgern, just bei der demontage einer diktatur plötzlich humanistische motive hat.

meine persönliche skepsis beginnt schon bei der personellen auswahl, die die us-regierung zu treffen gedenkt. einmal ganz abgesehen davon, dass die usa in dieser hinsicht noch nie ein glückliches händchen hatten, scheint mir ein herr jalabi, der hauptberuflich bankenbetrüger ist und sein land seit über vierzig jahren nicht mehr betreten hat, nicht wirklich ein garant dafür, an
etwas anderem als persönlicher bereicherung interessiert zu sein.

ich will gar nicht anfangen aufzuzählen, wie viele herrscher von us-gnaden sich als komplette fehlentscheidungen erwiesen haben, der, zitat, "faktor der stabilität" milosevic sei nur als jüngstes beispiel genannt. (oder frau plavsic, die gerade wegen verbrechen gegen die menschlichkeit zu 11 jahren gefängnis verurteilt wurde. )

ich frage mich auch, warum just diese diktatur plötzlich angriffswürdig war, aber die vielen anderen schreckensherrschaften auf dieser welt - die zufällig weder bodenschätze aufweisen, noch geo-strategisch ähnlich interessant sind - der uno überlassen werden.

ich finde es ebenso unerträglich wie georg kreisler, dass den leuten erzählt wird, "amerika" führte diesen krieg, und "die amerikaner" seien so böse menschen. mindestens ebenso unerträglich wie die - auch - amerikanischen medien, die behaupten, es sei eine mehrzahl der us-bürger für den krieg.

und dass sich, ganz egal was auf der welt passiert, immer ein grund findet zu sagen "die juden" seien an allem schuld, ist ebenfalls eine grausige tatsache, auf die immer wieder hinzuweisen ist.

ausserdem, lieber vater, auch wenn wir als juden von den antisemitischen äusserungen, und wir als amerikaner von den antiamerikanischen äusserungen persönlich betroffen sind, sollten wir nicht einäugig die antimuslimischen äusserungen, die es ebenso gibt, übersehen.

all das sind aber immer noch nicht ausreichend gründe, um herrn bush, herrn rumsfeld, herrn cheney oder frau rice zu entlasten. dieser krieg war nicht notwendig. in diesem krieg ging es nicht darum, saddam hussein zu entmachten.

aber bomben werfen bringt eben mehr, als nur einen diktator zu stürzen: man kann an der zerstörung eines landes ebenso viel geld verdienen wie an dessen wiederaufbau.

und im nachkriegs-irak werden wir erleben, dass die vorgenannten
herrschaften nichts anderes im sinn hatten, als eine neue form der
kolonisierung zu erreichen. wir sehen jetzt schon, dass es diktaturen gibt, die "in ordnung" sind, und solche, die es "zu bekämpfen" gilt - völlig unabhängig davon, wie menschenfreundlich sie sich gerieren.

ich bin nur neugierig, wer als nächster drankommt.

news ¦ archiv ¦ forum ¦ kontakt ¦ literatur ¦ shop ¦ links
nach oben >>>