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schandfleck.ch_archiv/2003/august

aldo clerici
krieg wird mode

sommerferien in italien, vor zwei jahren. im hotelzimmer liegt ein modeheft. gelangweilt-neugieriges durchblättern. mitten im heft: ein banküberfall als modestrecke. schicke terroristen, als legende die aufzählung der klamottenmarken. ein trend? andere hefte haben jedenfalls nachgezogen.
vor etlichen jahren war "trash" trendy. abgefucktes, düsteres - perfekt fotografiert. in farbe oder schwarz-weiss. industriebrachen, heruntergekommene stadtquartiere, ausgebrannt, zerfallen, ruinen, herumliegende trümmer, verrostete wracks. mitten drin das sexy model.
werbung und modefotografie wollen den puls des zeitgeistes fühlen und verwerten. wenn sie einen trend aufnehmen, dann als zynische interpretation vergangener strömungen. sonst könnte man sich die finger verbrennen. könnte man eine haltung interpretieren. aber weder werbung noch modefotografie wollen behaftbar sein. bleiben neutral. oberflächlich. wie man's nimmt. sie sind, auch wenn sie's gerne wären, keine trendsetter, sondern trendrecycler. und sind doch ein spiegelbild der gesellschaft.
im umfeld einer londoner kunstausstellung entstand der trend zum "radical chic". so entdeckte die mode ende der 90er die "raf" (rote armee fraktion). nach che guevara, mao, lenin der raf-stern auf t-shirts über gepiercten bauchnäbeln. lifestyle. modelabel wie "prada meinhof", "prada terror". trendfühlige redationen und modefotografen nahmen die fährte auf, kreierten für lifestyle-magazine wie "tussi deluxe" eine fotostrecke. thema: raf-terror. das konkurrenzblatt "max" recycelte postwendend und hinterfragte scheinheilig: "ist terror cool?". models als jan carl raspe in trendigem anzug vor einem bmw. dem lieblingswagen der raf: bader-meinhof-wagen. offener kofferdeckel. liegt der tote schleyer drin? andreas baader und grudrun ensslin vor gericht: "schuhe ‹tango› und ‹clarks›". der erschossene andreas baader in einer blutlache: "schloppen, gesehen bei woolworth". die gescheiterte raf-revolution als pose im seidenhemd, samthose, schnittigen schuhen und mit rassigen autos. die raf wollte ernsthaft den kapitalismus wegbomben und wird heute als modetrend verhöhnt. sind halt verlierer.
in den zeiten des eisigen deutschen herbstes wäre man sofort inhaftiert, drastisch bestraft und/oder ins berufsverbot verbannt worden, wenn man durch das tragen eines raf-sterns als sympathisant verdächtigt worden wäre. vergessenes wird neu zelebriert als zeitgeist: ihr könnt mich mal! interessiert mich doch nicht! wir wollen spass!
inzwischen gibt es bereits die ersten modefotos mit dem thema krieg. krieg ist sexy, so sexy wie cnn-bilder der bush-video-kriege. ohne blut und zerfetzte körper. was die us-generäle im sauber gebügelten makellosen kampfanzug vor der presse demonstriert haben. camouflagen. das wärs doch: heisse modefotos, als hintergrund gefangene in den hühnerkäfigen auf guantanamo, die absolut rechtlosen geiseln und opfer eines staates, der offen auf internationales recht pfeift. und vor dem alle kuschen. die achse der blöden. unberührt, unbeteiligt, dem konsumgott huldigend.
ein vorurteil? wurden die demos gegen den irak-überfall im gleichen zeitgeist geboren? als blosser modetrend?
zugegeben: ich bin ein bisschen ratlos.

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