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schandfleck.ch_archiv/2005/dezember
daniel costantino
 

die weihnachtsgeschichte

am anfange das knistern im haar. eine vibration im körper. gesträubtes fell. an der nasenwurzel sanftes knacken, ein spalt:
das dritte auge.
seine hand begann zu zittern. am wadenbein ein muskel, der dem fusse befahl, zu scharren wie ein hund.
gebannt, starrte er auf ein winziges licht, gaukelnd, irr, das ihm entgegenblinkte und unvermittelt aus geheimer kraft sich zu einer fackel entzündete, den schwarzen raum erhellte und wunderbar verwandelte.
er atmete auf.
so tief, dass die ohren sich weiteten und sein sonst schweres blut im busen schäumte wie brause.
ein erdball sein riesiger kopf.
dann, schauderhaft, ein kurzes, ruckartiges geräusch im schädel. zwei tektonische platten schrammten knapp aneinander vorbei.
statt einer katastrofe nur mattes augenflimmern aber und ein plötzlicher druckabfall im klima seiner inneren welt. jäh eine flackernde migräne, die sich schnell verflüchtigte, aber ihn schreckte wie ein wink des todes.
und stille nun, ruhe. majestät.
ein grosser augenblick.
eins wieder mit seinen gedanken und träumen, fand er sich des alltags mühsal enthoben und frei.
und farben tauchten auf, fantastische formen, blähten den horizont, wohlklänge und intensives spiel von rytmen und tönen und takten, wolkengefüge, meeresrauschen, wechselweise, auf und nieder.
ein schlaraffenland.
das ziel seiner reise, die dinge seines begehrs - er brauchte nur zu wünschen, schon wies ihm ein finger den weg, lockte eine spur, fand sich der pfad. ja, er war dort, wo das leben ihn begeisterte, sich verströmte, pulsierte. am nerv der existenz.
im glanze des glücks.
weit öffneten sich die portale der erkenntnis, mit lichtvollen studien und ewigen formeln der wissenschaft. was er suchte, entstand vor seinem auge, ergebnisse vollkommenen genies, galerien wohlgestalter schönheit, symbole erfüllten versprechens und elixiere des glücks.
wägend, prüfend wie gott des menschen geschick, seine klage, sein sehnen, seine geheimen verstecke der lust, vernahm er kunde von edlem und von dunklem treiben, regte nichts grosses und nichts kleines auf erden sich, das sich vor ihm verbarg, was er nicht mit der geschwindigkeit des lichts innert kürze erfuhr. zu einem teppich kunstvoll verwoben, breiteten sich die letzten fragen der menschheit vor ihm aus, wohlgepflügte felder, bestellt mit reicher saat und hoffnungsvoll sich tummelnden gestalten. doch von vielen seiten rieselten vergiftete bäche zu tale, infame sekrete der lüge, quellen der falschheit und des verbrechens, schwälle von schleim und schmutzige brühe, die zersetzung allen ertrags.
und er, noch eben schwebender geist über allem, dem die stunden wie monde verstrichen, verwundert, erregt, hingerissen und erzürnt in einem, merkte, dass ihn die sache verschlang, in einen chaotischen strudel riss, aus dem es kein entrinnen mehr gab.
er war dieser schöpfung ausgeliefert wie die erbärmlichste kreatur.
so blieb er mensch, ermattete, kehrte in seine haut zurück, wankte zum herd, dumm und verdumpft, trank einen kaffee, setzte sich wieder hin und beschloss, dass es reichte für heute, dass es zuviel gewesen für lange. schon rieben die platten im schädel sich wieder, verengte sich schmerzhaft die brust, und die migräne machte anstalt, sich auszubreiten und chronisch einzunisten.
er drückte auf den knopf, die fackel verlöschte mit zischendem protest, ein kurzes flimmern noch, ein letztes kräuseln des haars, und die erde hatte ihn wieder.

vor ihm stand der computer wie ein toter gegenstand und tat, als wäre nichts gewesen.

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