von
der simulation zur wirklichkeit
die wirkung von
gewaltvollen computergames auf die verstärkung und förderung
aggressiven verhaltens ist umstritten. denn kinder und jugendliche können
meist zwischen wirklichkeit und fantasiewelt unterscheiden. tod und
gewalt werden von kindern oft - mit und ohne computerspiele - im spiel
thematisiert. worüber erwachsene reden und reflektieren, das verarbeiten
kinder eher spielerisch. "wenn kinder und jugendliche aggressiv
oder gewalttätig sind, dann liegen die ursachen viel eher in real
erlebter gewalt im direkten sozialen umfeld als bei spielen und medien,"
so aggressionsforscher allan guggenbühl. anders psychologieprofessor
august flammer: "auch fiktive spielinhalte können das verhaltensspektrum
von kindern beeinflussen. aggressives verhalten aus spielen kann in
frustration oder im affekt durchaus zur realität werden."
in diesem bereich
existieren drei genres: semi-realistische first-person-shooters (ego-shooters),
militärsimulationen sowie echtzeitstrategiegames.
besonders in ego-shooter-games spritzt blut, und sie gelten als gewaltfördernd
und jugendgefährdend. "half life 2" ist ein intensives
ballergame "das herausragendste ego-shooter im jahr 2004,"
so ein begeisterter gamekritiker der auflagenstärksten schweizer
zeitung. gemäss neueren analysen machten sogar kriegssimulationen
die spieler nicht aggressiver, sondern impften ihnen "nur"
ein verharmlostes bild vom krieg ein. militärsimulationen vertuschen
die reale brutalität von kampf und krieg. fiktive szenarios, die
den spieler in eine fantasiewelt entführen, seien hingegen unbedenklich.
"war craft iii" ist ein beispiel für ein echtzeitstrategiespiel
in dem orkwesen gegen menschen kämpfen, für einen einzelnen
spieler oder für bis zu zwölf übers internet. den spielern
sei stets bewusst, wo die spielwelt endet und die wirklichkeit beginnt.
simulationen hingegen suchen gerade diese grenze zu verwischen, das
macht sie so gefährlich! in dem strategiespiel "command &
conquer generals" gilt es städte und länder des feindes
zu erobern und zu zerstören. hier kämpfen westliche gegen
islamische truppen. ähnliche aber unpolitische spiele mit rittern
oder monstern oder mythologischen figuren geben weniger grund zur auseinandersetzung.
in anderen europäischen ländern sind ballergames verboten,
die einen bezug zu aktuellen kriegshandlungen haben. die schweiz bleibt
da neutral, in den geschäften ist es ein verkaufshit. offizielle
verbote oder von eltern sind wenig effektiv und im zeitalter von internet
und kopieren oder direktimport umgehbar. spiele der "schwarzen
liste" sind attraktiv und reizvoller aber gleichzeitig auch schwerer
erhältlich. - es müssen nicht immer gleich verbote sein, doch
die schweiz kennt nicht einmal verbindliche altersfreigaben für
computerspiele, wie sie für kinofilme selbstverständlich sind.
da die mehrheit der spiele unbedenklich ist, hätten die firmen
wenig zu verlieren, und ein verlässlicher orientierungsraster würde
eltern und verkäufern helfen.
die grenze zwischen
fiktiven szenarios und der realität verschwindet zusehends. graphische
darstellung wurde perfektioniert, hintergrundgeschichte wird von aktueller
weltpolitik entlehnt, und ergänzt wird die computeranimation mit
echten, gefilmten kriegsszenen und bildern von getöteten menschen.
zahlreiche games laden zum töten in den nahen osten ein: karge
landschaften erinnern stark an jene aus nachrichtensendungen, die "feinde"
haben orientalische gesichtszüge, moscheen stehen dort mehr als
kirchen, existierende städte- und ländernamen lassen keine
zweifel offen.
pr-agenturen der militärs arbeiten unter anderem eng mit der computerspielindustrie
zusammen. durch kriegssimulationen soll militärisches denken in
die zivile lebens- und denkwelt eindringen und fuss fassen. fiktion
verschmilzt mit wirklichkeit!
die usarmee wirbt für ihre sache, indem sie auf ihrer homepage
einen ego-shooter (ein-personen-kriegsspiel) zum herunterladen anbietet.
das gratisgame soll lust auf das armeeleben und den krieg machen. der
spieler muss sich dazu ein datenpaket herunterladen und seine email
angeben. so kann jeder beim aktuellen kriegstreiben vom heimischen bildschirm
mitmachen, inklusive terroristenjagd und wüstenoperation. das spiel
richtet sich in erster linie an wehrfähige jüngere männer
und ist somit eine neue art der sympathie- und rekrutenwerbung für
die armee. ein auszug aus der offiziellen werbung für "america's
army": "a thrilling first-person game. become a member of
the world's premier land force; trained and equipped to achieve decisive
victory anywhere. earn the right to call yourself a soldier, letting
the enemies of freedom know that america's army has arrived. make a
difference in the world - and in yourself - as you join thousands online,
neutralizing threats wherever they arise. honor and integrity will forge
your character; bravery and firepower will prove your readiness in any
situation. teamwork. respect. action. the adventure starts here!"
(ein packendes ein-personen spiel. werde ein mitglied der ersten landstreitkraft
der welt; trainiert und ausgerüstet um überall entschiedenen
sieg zu erreichen. verdiene das recht dich selber einen soldaten zu
nennen, lass die feinde von freiheit/frieden wissen, dass amerikas armee
angekommen ist. mach einen unterschied in der welt - und in dir selber
- indem du dich tausenden online anschliesst, neutralisiere ängste
wo immer sie wachsen. ehre und integrität werden deinen charakter
schmieden; tapferkeit und feuerkraft werden deine bereitschaft in jeder
situation beweisen. teamarbeit. respekt. handlung. das abenteuer beginnt
hier!)
die militärerwartungen wurden weit übertroffen. seit der lancierung
anfangs 2003 sind weltweit mehrere millionen menschen der virtuellen
usarmee beigetreten. der virtuelle krieg sei noch nie so realistisch
gewesen: wer dort mitmacht, lässt sich registrieren, muss zuerst
eine virtuelle grundausbildung durchlaufen und sich dann nach armeedienstgraden
hochdienen. vom nachladen der waffe, über das pfeifen im ohr nach
einem granateneinschlag wird alles simuliert "so realistisch und
gut wie nie!" auch eine special-forces version des games wurde
schon herausgegeben.
dank den millionen spielern haben die militärstrategen, neben der
werbe-, rekrutierungs- und sympathiekampagne gleichzeitig einen kostengünstigen
kriegssimulator. sie werden genauestens darüber informiert, wie
heimische gamer im realistischsten virtuellen krieg reagieren. die auswertung
der spielerdaten ist nämlich kein problem, die bewegungen jedes
spielers werden unverschlüsselt per internet übermittelt.
doch die usarmee quälen bereits anfang jahr schwierigkeiten mit
spielern, die in ihrem eigenen game schummeln. um das zu beenden warnt
der produktionsleiter des schiessspieles im forum, sich mit der usarmee
anzulegen. wer im spiel betrüge, werde nicht nur durch die army
selbst, sondern auch durch deren partner bei den justizbehörden
sowie dem secret service und dem fbi verfolgt. "die army ist verärgert
und kommt euch sonst holen". und das ist ja gerade das ziel der
ganzen aktion, die spieler für die armee zu begeistern und zu rekrutieren!
doch auch die private
konkurrenz schläft nicht. echte fotos und videoszenen aus dem irakkrieg
werden im reality game "kuma: war" eingefügt. die einleitung
wird als reportage im nachrichtenstil dargestellt. spielern werden auch
originalfotos von ermordeten menschen präsentiert. diese bilder
stammen unter anderem von journalisten, die sich in die ustruppen integrieren
liessen. das kampfgeschehen ist jeweils dem echten krieg nachempfunden
und wird von einem virtuellen militärexperten kommentiert und immer
wieder die echten videoszenen aus dem irakkrieg. gegen bezahlung können
monatlich neue einsatze aus dem netz heruntergeladen werden.
es ist zu befürchten/
zu erwarten, dass die positive und extrem realistische darstellung des
tötens die gewalthemmschwelle der gamer auch im wirklichen leben
reduziert. die grenze zwischen fiktion und realität wurde definitiv
aufgehoben. die zusammenarbeit von militärstrategen und der unterhaltungsindustrie
ist ein strategischer coup: "wie hämmere ich den stoff in
die köpfe möglichst vieler leute?"