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schandfleck.ch_archiv/2006/januar
david manuel kern

Ehrliche Politik in Österreich

Wagt man einen Blick in die heutige Politikerlandschaft von Österreich, so fällt eines auf: An eine "ehrliche Politik", wie sie zwar nie und zu keinen Zeiten existierte, jedoch in manchen geistvollen Köpfen als Utopie in dessen Wunschvorstellungen geistert, ist nicht mehr zu denken. Die Gründe für die Misere sind leicht zu erkennen: Ein dumpfer und stupider Populismus hat sich breitgemacht. Nun ja, von zweitrangigen, meist ins rechte Eck des rechten Konservatismus (eine Denkungsmöglichkeit, die mittlerweile beinahe jede einzelne politische Organisation ergriffen hat) zu zählenden Parteien ist man dies von jeher gewöhnt. Nichts wird ausgelassen, das nicht die Sicherheit in sich birgt, von der Masse in ihre starren aber jubelnden Arme eingeschlossen zu werden, um aus der Umarmung eine vollendete zu machen. Plakate werden aufgehängt, die im Grunde Hass schüren und doch ihren zweifelhaften Erfolg erzielen, Männer mit gut sitzenden Anzügen plärren mit heiseren Stimmen auf ihr Volk nieder und gewinnen ihre bedenklichen Seelen aufgrund scheinbar tief sitzender Verletzungen, die der Wahrheit den Weg verstellen.

Die oberste Priorität lässt sich auf eines reduzieren: Stimmen. Des Populistens Eigenschaft ist die des Stimmen-Ergaunerns, des Wähler-Gewinnens auf Kosten jeder Lüge und jedes noch so niederträchtigen Opportunismus. Die übliche Handhabung mancher Parteien, die uns stummen Wählern zur Gewohnheit wurde, lässt keine Überraschungen mehr offen und in uns eine tiefsitzende, von Verunsicherung und Enttäuschung genährte Wunde über.

Doch nun verfolgt der einsame Konsument politischer Verirrungen auch bei den alteingesessenen Genossen einer ehemaligen sozialdemokratischen Partei Tendenzen, die dem Populismus nicht nur nahe treten, mit ihm liebäugeln, mit ihm sympathisieren, sondern ihn gemäß vertreten. Die österreichische Sozialdemokratie hat sich von einer Partei, die für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Toleranz stand, zu einer armseligen und durch und durch kontraproduktiven, ja gesellschaftlich gefährlichen Kasperlorganisation verwandelt, die für nichts mehr steht, es sei denn einerseits für machtgierige Politik und andererseits lächerlich provinzielle Genossenschaftskracherlbande. In früheren Zeiten, in Zeiten Kreiskys und später Vranitzkys, in Zeiten tatsächlich sozialer Vorteile, in Zeiten gerechter Wirtschaftspolitik, in Zeiten liberaler Arbeiter- und Unterschichtenloyalität, stand die Sozialdemokratische Partei Österreich und mit ihr die ursprüngliche sozialdemokratische Idee, die wohlgemerkt jegliche Form von läppischen Kommunismus in den Schatten stellte, für Hoffnung für ein kleines, von der Geschichte geschütteltes und zerrüttetes Land, das sich zuvor selbst in den Beinahe-Abgrund manövrierte. Das kleine, von jeder politischen Wichtigkeit meilenweit entfernte und trotz dem an unheilbarem Größenwahn leidende Österreich hat sich dank der damaligen Kreisky-SPÖ wieder aufgerappelt, wieder der Welt geöffnet.
Naturgemäß existieren auch hier Schandflecken: Die Umstände, die dazu führten, dass der Jude Kreisky einige namentliche Nazigrößen in sein Kabinett geholt und damit unterstützt hat, dass die bestialischen Gräueltaten einiger Jetzt-Genossen auf niederträchtigste Weise vertuscht wurden und jenen ehemaligen SS-Schergen und primitiven Rechte-Hand-Grüßer zu beachtlichen Karrieren in einer Nazifreienzone verhalf, die zum Teil bis in die heutige Zeit bewusst nicht entfernt wurden, waren in keinem Maße gerechtfertigt und, auch aus heutiger Sicht, völlig unverständlich, unentschuldbar. Jedoch abgesehen dieser unfassbaren Aktionen und gemeingefährlichen Handlungen auf Seiten der sozialistischen Gemeinschaft, ist es (wiewohl der Verdienst zu Zweifel berechtigt wäre) aufwärts gegangen mit einer Nation, die, wenn nicht der Großteil der Menschen, so doch die halbe Schuld an den Verbrechen der nationalsozialistischen Ära zu tragen hatte (Die Österreicher waren von jeher die absoluteren Judenhasser und der allgemeine Antisemitismus wurde hier einige Zeit früher als in Deutschland salonfähig gemacht. Die Österreicher waren die größeren Nazis). Doch der Dank gilt einzig und allein der damaligen österreichischen Sozialdemokratie und ihr einmaliges Bestreben, sozial nötige Gerechtigkeit zu verbreiten und zu vermitteln und in den Kopf des Durchschnittsösterreichers zu verankern. Hier ging es nicht darum, was die Menschen hören wollten, und aufgrund dieses Wissens Politik zu betreiben. Vielmehr wurden Ideen und Theorien in die Praxis umgesetzt, auf das tägliche Leben übertragen. Die Arbeit dabei bestand, die Menschen von diesen für des Menschens Freiheit notwendige Ideen zu überzeugen, und nicht es ihnen recht zu machen und ihre Wünsche und Bestrebungen und ihren Glauben von den Lippen zu lesen, um es dann unbedacht in die Tat umzusetzen. Denn die Sozialdemokratie ist eine Schöpfung des Geistes, des Intellekts, nicht einer Intention oder eines tiefsitzenden Volksglaubens. Man muss den Menschen, den Leuten, den Wählern, den Trägern einer Nation sozialdemokratische Werte erst erlernen, mit Hilfe der Vernunft sie zu überzeugen versuchen, sie ihnen zeigen, ihnen die Vorteile und die Essenz verständlich machen. Der Mensch an sich ist von Grund auf rassistisch, diktatorisch, ehrfürchtig, gebieterisch, faschistoid; Reste aus der Frühzeit, in welcher die Vorfahren auf sich selbst (oder kleinen, erst im Entstehen begriffenen Familienbanden) gestellt waren und ihren gesamten Besitz vor Feinden jeglicher Art verteidigen mussten undsoweiter. Diese prähistorischen Reste sind nie zur Vollständigkeit den Köpfen der Menschen entschwunden.

Es war und ist wie nie zuvor nun die Aufgabe einerseits der Politik, andererseits des Gesetzes, der moralischen Aufklärung und teilweise der Kirche und der Religion, die Menschen zu erziehen, ihnen zu zeigen, wie man Recht von Unrecht unterscheidet. Ignoriere man alle der Aufklärung zu verdankenden moralischen Errungenschaften und belasse man die Menschen auf dem vermeintlich richtigen, primitiven Weg, so entstünden Zustände, die dem Chaos ähnelten und in Verbrechen welcher Art auch immer resultierten. Und immer wieder lehrt die Geschichte, dass ein Ausnutzen einiger die Situation Beherrschender von irrationalem und natürlichem, barbarischem Benehmen zu Voraussehungen führt. Wie sonst wäre ein derartiger, beinahe unglaublicher Erfolg des Nationalsozialismus zu erklären, um nur ein Beispiel der neueren Zeit heranzuziehen. Nicht zu vergessen all die ähnlichen Diktaturen im 20. Jahrhundert, die Kreuzzüge, die großen Monarchien im Mittelalter, etc. Der Mensch besitzt keine Moral und keine Rechtschaffenheit, der Mensch ist dem Tiere eins. Moralisches Gewissen, soziales Denken sind Produkte des Intellekts, der jahrhundertelange Geistes-Auseinandersetzung, die erst gelehrt werden müssen.

Wenn nun aber eine Partei, die zu einem gewissen Grade die Interessen der Bürger vertritt, wie es jetzt zu diesen Zeiten in diesem Land kontinuierlich steigend vernommen werden kann, bloß dasjenige zur Sprache bringt, was von den Menschen, denen, nicht zu vergessen, nichts an Moral und verantwortungsbewusstes Denken gelehrt wurde, als Wille in der Luft hängt, so ist hier ein Rückschritt im Gange, der, wenn man nicht aufzupassen, aufzuzeigen und zu verhindern weiß, dem Gefährlichen gefährlich nahe kommen kann. Denn wenn jede politische Partei in ekelhaft populistischer Manier für des Menschens Vorstellung steht, diese Vorstellung repräsentiert, sie vorwegnimmt, eins wird mit (im Grunde immer bestehenden, primitiven, urzuständlichen) Urgefühlen, so ist eine Mehrzahl, eine Auswahl an politischen Parteien von keinem Gebrauch mehr. Dann genügte eine Partei, die alle wählen, weil sie das vertritt, was die Mehrzahl der Wähler sich wünscht. Und das ist der Tod der Demokratie.
Die Geschichte würde sich wiederholen, faschistische Zeiten bedrohten erneut die Welt und der Untergang stünde bereit.

Einem Wähler müssen Optionen geboten werden, er muss die Möglichkeit haben, nach gründlichen Überlegungen (oder ur-sprünglichen Intentionen? eine von mehreren wählbaren Parteien zu wählen. Natürlich gibt es überall, in jeder Demokratie, eine Partei, die dem vorsteht, was die Primitivität uns sagt. Rassistische, antisemitische, ans braune Umfeld sich schmiegende Organisationen findet man unter jeder Nation, und sie werden gewählt. Die einen blicken auf Erfolg, die anderen nicht. Aber der Wähler hat die Verpflichtung, sich wahrlich Gedanken zu machen über Politik, über Handlungen repräsentativer Bürgervorstände, um dann seine Entscheidung zu fällen. Und es ist die Aufgabe rationeller Politikerorganisationen, eben diese Wähler für sich einzunehmen. Jedoch ausschließlich unter der simplen Voraussetzung einer Meinungswahrheit, die im Gegensatz zu Populismus und Opportunismus steht. Und wenn sie durch diese Vorgangsweise keine Stimmen erhält, so ist das auf ehrliche, moralisch tragende Weise geschehen, die hinzunehmen und aus der erneut Motivation zu schöpfen ist, die Wähler ein nächstes Mal von der Richtigkeit ihrer Vorgehensweise zu überzeugen.
Abzulehnen ist ein Wahlkampf, der konsequent ausschließlich dem Stimmenfang gilt.

Und dann öffnet man eines Morgens wohlwollend die Zeitung, um den grauen Alltag mit ein paar wenigen Erkundigungen zu bereichern, und bemerkt sogleich, dass man gut daran täte, den innenpolitischen Teil zu übersehen, links liegenzulassen. Denn, ohne Fassung, ohne derartiges zu erwarten, springt einem der Ekel des Populismus ins Gesicht. Josef Cap, einst revolutionärer Jung-Sozialist, der sich seiner Weigerung, der Krawattenpflicht gegenüber konformistisch zu verhalten, bis zuletzt nicht entrinnen konnte, nun vom Papst gesegneter SPÖ-Klubobmann, bezeichnete kürzlich in bester Manier einer Kronen Zeitung und Rechts-FPÖ die sogenannten Porno-Plakate als einen "Schandfleck der österreichischen Gegenwartspolitik", bei dessen Produktion bloß Steuergelder verschwendet worden seien. Die, einst mit realer Hoffnung für dieses Land geschwängerte Grünen-Politikerin Eva Glawischnig ließ sich einen Termin vom geschmacklosen und vor Durchschnittlichkeit triefenden Nachrichtenmagazin News geben, um Fotos von ihr und ihrem dicken bauchfreien Bauch vor einem Babygeschäft zu schießen. Und den Gipfel der sozialistischen Geschmacklosigkeit lieferte der neu gewählte Landeshauptmann Voves, als er im heißen Wahlkampf und in den Armen seines Chefs Gusenbauer vor vormaligen Haider-Wählern im musikalischen Einklang mit einer zweitklassigen volkstümlichen Musikformation seine Hüften schwang und es sich nicht verkneifen konnte, ein paar Takte mitzulallen.

Doch sind dies alles Kleinigkeiten im Vergleich zu der Art und Weise, wie alte, kluge, vormals weltgewandte Parteien sich der Falle Populismus hingeben, ohne an die Konsequenzen ihrer Glaubwürdigkeit zu denken.
Der denkende und mündige Wähler hat nun die eilende Aufgabe, all diese Missstände zu entlarven und wählend abzulehnen, die sich als schmieriger Wählerfang, populistische Halbpolitik und im Grunde radikale Ablehnung jeglicher demokratischer Ordnungen herausstellt. Und diejenigen Wähler des Volkes, die der Unmündigkeit anheimfallen und den höheren Prozentsatz dieses Landes ausmacht, muss gerechte Politik und moralische, vorurteilsfreies und soziales Denken gezeigt werden. Erst dann kann von ehrlicher Politik gesprochen werden.

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