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schandfleck.ch_archiv/2006/juni
caspar reimer

standpunkt: das hooligangesetz ist eine tarnung

das hooligangesetz ist mehr als nur ein fussballtheater. dahinter verbirgt sich ein abbau des rechtsstaates im allgemeinen.

das hooligangesetz (bwis) ist in aller munde. schliesslich geht es um fussball - und jetzt machen die fans politik: "mit den geplanten änderungen des bwis wird der willkür tür und tor geöffnet. 15-jährige jugendliche können aufgrund von "glaubwürdigen" aussagen von polizeibeamten in präventiven gewahrsam genommen werden. grundrechte wie die unschuldsvermutung werden aufgeweicht und missachtet", so die mitteilung vom referendumskomitee, das sich gegen die revision des "bundesgesetzes zur wahrung der inneren sicherheit" gegründet hat.
etwas zurück: nachdem in zürich altstetten fussballfans von der polizei eingekesselt, mehrere stunden kontrolliert und schikaniert wurden, hagelte es in der basler zeitung leserbriefe von betroffenen eltern der fussball-kids: "gibt's denn so etwas? wie soll ich meinem sohn nun unseren rechtsstaat erklären?", hiess es etwa. das entsetzen unter fussballfans war gross: wie konnte in einem "dermassen zivilisierten land" so etwas passieren?
das tut weh: die polizei hält wef-demonstranten an bahnhöfen fest und der rechtsstaat legitimiert brutale methoden zur abschreckung von abgewiesenen asylsuchenden. haben diese sachverhalte je einen solchen trubel ausgelöst? ja, vielleicht ein wenig - aber mit sicherheit nicht in diesem breiten spielfeld. vor diesem hintergrund wirkt die diskussion um das hooligangesetz etwas absurd. doch: der titel hooligangesetz ist irreführend - es geht um mehr! konkret geht es darum, rechtsstaatliche schutzplanken zu unterhöhlen und der polizei mittel der willkür zu erlauben. die änderung des bwis ist mehr, als nur eine regelung, um an fussballanlässen für ordnung zu sorgen: es macht das individuum zum potentiellen kriminellen, bereitet wege richtung denunziantentum und lässt die angst in der bevölkerung ansteigen.
es passt zum "permanenten ausnahmezustand", über den oliver fahrni nach der us-invasion im irak in der woz schrieb; über den langsamen, durch panikmache überdeckten abbau des rechtsstaates, der in europa langsam seine fühler breit macht: "der bürger als einzelnes, souveränes subjekt ist aufgehoben, er ist zum partikel einer potenziell feindlichen masse verkommen, die überwacht und niedergehalten werden muss", schreibt oliver fahrni. auch in der schweiz gibt es hinweise auf eine totalisierung der gesellschaftsordnung: die kontrollierte masse und die kontrollierenden eliten. diese tendenz spüren zuerst randgruppen (asylsuchende, homosexuelle). die im januar 2004 unterlassene oder beschönigende berichterstattung über den polizeieinsatz in landquart im rahmen der bewilligten wef-demonstration in chur ist ein weiteres zeichen dafür, dass die polizei ihr verhalten längst nicht mehr rechtfertigen muss.
die demokratischen juristinnen schweiz (djs) sind überzeugt, dass das "hooligangesetz" schritt für schritt auf andere bereiche ausgeweitet wird. so ist der titel "hooligangesetz" ein trugschluss, der fussballmuffel müde abwinken und "anständige" fussballfans mit dem kopf nicken lässt. und: "das bestehende strafrecht reicht aus, um gegen gewalt an sportveranstaltungen rechtsstaatlich korrekt vorzugehen", schreibt djs in der mitteilung.
ruben schöneberger vom gegnerkomitee ist zuversichtlich, dass das referendum zustande kommt.

anmerkung: in der nächsten ausgabe informieren wir über stand der unterschriftensammlung.

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