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(erstpublikation saemann 2/04)

mt 5, 38-41: ihr habt gehört, dass da gesagt ist: auge um auge, zahn um zahn. ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem übel, sondern, wenn dir jemand einen streich gibt auf deine rechte backe, dem biete die andere auch dar. und wenn jemand mit dir rechten will und deinen rock nehmen, dem lass auch den mantel. und wenn dich jemand nötigt eine meile, so gehe mit ihm zwei.

es liesse sich gegen den evangelisten der einwand der unglaubwürdigkeit versuchen, da jesus sich gerade auf diesen seiten auch entschieden anders und nicht menschenfreundlich geäussert, überhaupt intolerante, aggressive zitate in der bibel bei weitem überwiegen, des gottmenschen existenz mit fug schon wegen zahlloser widersprüche und fälschungen bestreiten, erst recht aus verstandesmässigen gründen, und staunen über die sonderbare ehrfurcht vor einer schrift und einer ideologie, aus der kreuzzüge, weltkriege und die segnung der atombombe zwingend folgen, judenverfolgung, negerversklavung, indianerausrottung und die verteufelung der geschlechtlichkeit sprächen ebenso dafür, auch die herabsetzung der frau; ungeachtet dessen kann kein politiker, kein teologe und kein einziger christ organisierter gewalt das wort reden und zugleich diese sätze jesu bekennen, er schmückte denn seinen kriegsgott mit fremden federn, nicht einmal das recht zur notwehr im affekt lässt sich diesen zeilen entnehmen; ich aber sage euch, vergeltung und rache sind die primitivsten formen der habgier, gesteigert noch durch das unternehmen, eigene schandtaten auf andere abzuwälzen und damit anhänger zu gewinnen, die erfolgreichste art, politik zu betreiben und aus der todesangst des menschen kapital zu schlagen - wer ihr anhängt, weiss nichts von freiheit und von lebensfreude wenig und hat aufgehört, sie zu entdecken; was uns kaputtmacht, ist der fehlende mut, unser glück zu suchen und uns unserer eigenen vernunft zu bedienen, auch der umstand, dass uns ein korruptes system von zucht und ordnung in einem alter aufgedrückt wird, in dem wir alles glauben und kaum etwas begreifen können; schliesslich klingt die stelle, für sich alleine genommen, nicht übel, wenn ich auch nicht recht den optimismus aufbrächte, die andere backe auch hinzuhalten und mich zusammenschlagen zu lassen - viel zu selten, fürchte ich, würde ein angreifer dadurch beschämt und reichte mir, bekehrt, die hand.

anmerkung: was der ehemalige feldprediger-dienstchef der armee über die bibelstelle geschrieben hat, steht in derselben saemann-nummer.