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schandfleck.ch_archiv/2003/september

daniel costantino
ars ignorandi
oder: "die da oben machen ja doch nur, was sie wollen!"

die spiegelfechtereien einer rekursinstanz

ich möchte hier einmal die art und weise aufzeigen, wie die rekurskommission des evd mit beschwerden über abgelehnte zivildienstgesuche umgeht, nachdem ich schon ein paarmal ablehnungsbescheide der erstinstanz, der ‚zentralstelle zivildienst', unter die lupe genommen habe.

- zivildienstkommission: abschlägiger bescheid
- kleine staatskunde für junge bürger
- christentum versus buddismus


weil sich in einer solchen angelegenheit die akten häufen, dem ablehnenden bescheid der ‚zentralstelle' das zivldienstgesuch ebenso zugrunde liegt wie der nicht einsehbare antrag der gewissensprüfer und die auf verlangen dem beschwerdeführer nachgeschickten gesprächsnotizen, also das protokoll der anhörung; weil darauf das rekursschreiben des abgelehnten antragsstellers folgt und handkehrum die vernehmlassung der ‚zentralstelle', die auf ihrem entscheid beharrt; und weil endlich die rekurskommission die sache seitenlang erwägt und ausführt und schliesslich entscheidet, so dass der ganze text recht unübersichtlich und kompliziert würde, zöge ich jedes schriftstück und alle behauptungen, verrenkungen und anwürfe in betracht, rede und gegenrede, pro und kontra, auslassung und einlassung, gilt meine aufmerksamkeit hier in erster linie der beschwerde des gesuchstellers, die ich ungekürzt publiziere und dem entscheid der rekurskommission, soweit er sich auf die vorwürfe der beschwerde einlässt. ich zeige auch auf, und das ist an diesem beispiel wichtig, in welchen punkten die rekursinstanz mit keiner silbe auf die beschwerde eingeht. letztlich füge ich sparsam ein paar zitate aus der ablehnungsschrift der erstinstanz und gelegentlich passagen aus dem zivildienstgesuch zum leichteren verständnis ein.
damit fallen viele seiten teoretischer abhandlungen und ausleuchtungen kleinerer aspekte aus, dafür liegt der schwerpunkt der analyse auf der beschwerde des abgelehnten gesuchstellers und der art und weise, wie punkt für punkt mit seinen argumenten umgesprungen wird und wo sie ebengerade, und bezeichnenderweise, ignoriert werden, denn die beschwerde ist letztendlich abgelehnt worden.

lassen wir das zivildienstgesuch als ganzes also aus und ebenso für einmal die ausführliche dokumentation des ablehnungsschreibens und konzentrieren wir uns als erstes auf den inhalt der beschwerde:


ich erhebe beschwerde gegen die ablehnung meines zivildienstgesuchs und möchte ihnen mit diesem schreiben deutlich machen, weshalb ich den entscheid der zentralstelle als willkürlich, unhaltbar und stossend empfinde.

was unter punkt a, sachverhalt, im entscheid von meinem schriftlichen gesuch zusammengefasst wird, ist so, wie es dasteht, im grossen und ganzen richtig. was aber nicht berücksichtigt wurde, ich aber gleich zu anfang geschrieben habe: ich fühle mich verantwortlich für alles, was ich mache oder unterlasse. ich habe mir konkret zu überlegen, welche entscheidungen ich zu treffen habe und wie sich diese auf meine zukunft auswirken. ich bin ein mensch, und das habe ich hier formuliert, der alle lebensbereiche hinterfragt und stets versucht, das richtige zu tun. ich habe des weitern in meiner einleitung mit den kriegs- und konfliktmeldungen argumentiert, die täglich in der tagesschau zu sehen und zu hören sind. es ist in meinen gedanken ein tägliches tema, weshalb viele menschen gleichwohl in ihrem alltagstrott verharren und sie das gesehene gar nicht weiter interessiert. mir ist bewusst, dass ich als rekrut und soldat möglicherweise eines tages in einem krieg aktiv mithelfen muss. ich denke, dass alleine schon diese permanente gedankliche beschäftigung mit mir und der welt von einem bewusstsein spricht, das sich zur gewaltlosigkeit bekennen muss. die zentralstelle nimmt davon keine notiz.

ich habe von meiner gewaltfreien lebenseinstellung schon zu beginn der anhörung gesprochen. ich hätte erwartet, dass die kommissionsmitglieder mein gesuch gelesen haben und war daher über die voreingenommene gesprächsführung sehr erstaunt. wer kann mein gesuch lesen und mich schon am anfang fragen, wenn ich vom teufelskreis der gewalt spreche: "aber nicht bei ch-armee?" (anhörungsnotiz 25). ob es nicht "schön" sei für mich, die bevölkerung zu schützen, "sinnvoll", wenn ich darüber rede, dass ich eben mit der waffe und unter anwendung tödlicher gewalt auf einen angreifer losgehe? (26-28)

unter punkt c des abschlägigen bescheids fasst die zentralstelle die stellungnahme der kommission zusammen und schreibt, ich hätte keinen gewissenskonflikt glaubhaft machen können. auch hier werfe ich der kommission vor, sie sei voreingenommen, denn ich habe gesagt, ich strebe ein gewaltfreies, konfliktarmes leben an, das sei für mich ein gutes, richtiges leben, und könne deshalb keinen militärdienst machen (44). gewalt ist für mich körperliche verletzung, auch verletzung mit worten (51), ich bin nicht einmal dafür, dass die polizei gewalt anwenden darf (53), und mit dem satz, es komme auf den zusammenhang an, nach dem aber nicht weiter gefragt wurde, meinte ich die persönliche notwehr eines polizisten, wenn sein leben angegriffen wird, also etwas, was ich unter umständen, aber eben ohne waffe und ohne training, auch tun würde. damit heisse ich es immer noch nicht gut! aber ein reflex in der panik hat nichts mit meinen überzeugungen zu tun.

ich habe ferner, sehr analog zu meinem schriftlichen gesuch, an der anhörung ausgeführt, pazifist sein bedeutet für mich, gewaltlos sein; das wort gewalt darf in einer auseinandersetzung, die in der diskussion geführt werden muss, gar nicht existieren (56). auch wenn ich gewalt am eigenen leibe nie erlebt habe, ist dies meine überzeugung (61). ich hatte an der anhörung den eindruck, für die kommission könne sich eine solche einstellung nur herausbilden, wenn man schon mal zusammengeschlagen wurde! ist das nicht absurd?

ich habe gesagt, geplante verteidigung (der schweizer armee) sei für mich nicht akzeptabel (83). gewalt beginnt im kopf, wie ich schon im gesuch geschrieben habe; auch überzeugungen und ein gewissen wachsen da, und deshalb gilt für mich notwehr als entschuldigung nicht, wenn es sich um eine armee handelt, denn der soldat weiss, was er tut, und er lernt, gewalt anzuwenden.

ich hätte keinen gewissenskonflikt glaubhaft machen können! kann, wer voreingenommen ist, immer sagen! schliesslich kann ich ihn nicht beweisen. aber hält man meine aussagen wirklich für zu leichte kost?

ich rede davon, dass ich bei allem, was ich tue, bewusst abwäge (93), dass ich für schwächere einstehe, toleranz übe, dass ich gegen meinen wert der gewaltlosigkeit nicht verstossen kann (102). man antwortet, ich hätte den sinn des glaubens nicht gefunden (was stimmt), da müsse ich doch gewisse richtlinien haben! (104.) hat man mir überhaupt zuhören, hat man mein gesuch überhaupt lesen wollen? ich beschreibe mich als nichtreligiösen menschen, und man fragt mich nach richtlinien und geboten! (107.)
dass ich darauf kurz den faden verlor (114), erklärt sich daraus, dass ich den eindruck hatte, man wolle mich nicht verstehen. man fragt mich, ob ich als schütze kein problem hätte! (122.) hat man mir zugehört bei allem, was ich sagte?

wenn ich meine aussagen, in meinem gesuch und bei der anhörung, der kommission nicht als gewissenskonflikt habe glaubhaft machen können, so habe ich den eindruck, es liege nicht an mir.

aber noch andernfalls! im zivildienstgesetz steht: "militärpflichtige, die glaubhaft darlegen, militärdienst nicht mit ihrem gewissen vereinbaren zu können, leisten zivildienst."

in der botschaft zu diesem gesetz schrieb der bundesrat am 22. juni 1994, dass eine allgemeingültige umschreibung dessen, was gewissen sei, nicht möglich sei.
"gewissen setzt sich zusammen aus der erkenntnis von erlaubtem und verbotenem, von recht und unrecht und aus der für die einzelne person daraus erwachsenden zwingenden verpflichtung, entsprechend dieser erkenntnis zu handeln."
und auch:
"das gewissen ist das subjektive bewusstsein vom sittlichen wert oder unwert des eigenen verhaltens. es ist die innere etische instanz eines menschen, die ihn sich selbst gegenüber ganz verpflichtet. das gewissen ist ein ort der sittlichen entscheidung gemäss den grundnormen der eigenen überzeugungen, wozu auch das religiöse bewusstsein gehört."

diese öffnung gegenüber dem alten militärstrafgesetz wurde in der botschaft dahingehend präzisiert, dass neben religiösen überzeugungen auch andere motive anerkannt würden - etisch-humanitäre, aber auch moralische, soweit sie im postulat der gewaltlosigkeit fussen. selbst rationale gründe und politische sowie gesellschaftliche überlegungen könnten anerkannt werden.

ein beschwerdeentscheid ihrer behörde vom 20. april 2000 in sachen x. y. hat genau oben zitiertes gesetz, die botschaft des bundesrates und die daraus folgende schlussfolgerung zum tema (s. 5-7). ich zitiere aus ebenjenem reko-entscheid:
(s.7)
"folglich fallen ausschliesslich persönliche gründe wie persönliche neigungen, bequemlichkeiten, aus- und weiterbildung oder wirtschaftliche erwägungen ausser betracht, um vom militärdienst befreit zu werden."

demgegenüber stelle ich fest, dass die zentralstelle nicht im sinn und geist oben zitierter sätze, aber auch nicht nach der absicht des bundesrats schreibt, wenn sie in ihren "erwägungen" formuliert, die moral äussere sich unmittelbar in form einer normativen forderung, einer sollens-forderung, die bedingungslose, kategorische geltung beanspruche. damit fällt die zentralstelle wieder auf die ebene des alten militärstrafgesetzes zurück, das bis zur barras-reform in den 90iger-jahren einen "kategorischen imperativ des handelns" nach kant für gewissensverweigerer verlangt hatte - und jeweils nur zirka einem drittel der militärverweigerer einen gewissenskonflikt zubilligte.
zudem hat der bundesrat in seiner botschaft nicht nur moralische motive anerkennen wollen, sondern eben auch etisch-humanitäre, ja sogar politische und gesellschaftliche überlegungen.

wenn nun die zentralstelle im weiteren nur von moralischen forderungen in ihren erwägungen spricht als voraussetzung zur zulassung und die andern genannten motive gänzlich verkennt, argumentiert sie am geist des zivildienstgesetzes, der bundesrätlichen botschaft und mithin demokratischer institutionen wie den beiden kammern des parlaments, aber auch des erwähnten reko-entscheides vorbei. überhaupt scheint schon das wort "gewissenskonflikt" in diesem zusammenhang überrissen zu sein.
ich zitiere nochmals aus dem rekurs-entscheid vom 20. april 2000: (s. 12/13.)
"von einem gesuchsteller dürfen nicht generell tiefschürfende, intellektuelle oder wissenschaftliche abhandlungen oder deren hintergrund und auch nicht eigentliche tatbeweise verlangt werden. der gesuchsteller muss nicht vertiefend und ausführlich begründen können, wie seine persönliche grundüberzeugung zustandegekommen ist."
und:
"gerade bei prinzipien wie gewaltlosigkeit oder nächstenliebe dürfte es mitunter schwierig sein, konkrete umsetzungen im täglichen leben aufzuzeigen. es liefe auf eine überdehnung der anforderungen hinaus, wollte man zum zeichen der glaubwürdigkeit verlangen, der gesuchsteller müsse sich in seinem leben aktiv und erkennbar für die gewaltlosigkeit engagieren." (s. 13.)

ich fasse zusammen: die kommission hat mich voreingenommen angehört, mich in stossender weise nicht verstehen wollen. sie hat das schwergewicht der anhörung auf nebenschauplätze verlagert und sie hat mich nicht mit qualitativen argumenten, sondern mit dem attribut "unglaubwürdig" abgelehnt - das finde ich keine faire behandlung.
die zentralstelle ihrerseits misst mich an zu strengen kriterien und ignoriert wichtige punkte meiner begründung.

ich möchte nun noch auf die begründung der ablehnung eingehen, nachdem ich die obigen punkte einmal festhalte.
man argumentiert, ich hätte mit meinem standpunkt des pazifismus', mit meiner überzeugung, niemand habe das recht, leben zu zerstören, mit meiner darstellung der geschichtlichen entwicklung zuwenig glaubhaft moralisch argumentiert. ich behaupte, pazifismus und tötungsverbot seien sehr wohl moralische normen, die mich in einen gewissenskonflikt mit der armee bringen. möglich, dass die darstellung eines gesellschaftlichen werdegangs, der positive glaube an eine historische entwicklung, kein moralisches kriterium ist, aber immerhin gehört dieser sachverhalt zu meinem humanen, etischen weltbild - ich glaube an den diesbezüglichen fortschritt; ob gewaltanwendung vor 100 jahren sinnvoll gewesen wäre oder nicht, gehört nicht zu den hauptsächlichen temen des gesuchs, auch habe ich in keiner weise solches gerechtfertigt. entgegen der behauptung der zentralstelle, ich hätte die frage im zusammenhang mit ex-jugoslawien nicht beantwortet, stelle ich fest, dass ich auf die frage, ob man mit der nato-intervention nicht grösseren schaden verhindern könne, klipp und klar gesagt habe, gewalt sei für mich kein tema (anhörungsnotiz 76); was sich mit all meinen aussagen in meinem gesuch und auch zuvor schon während der anhörung deckt - darum auch die knappe, aber präzise antwort: "wie gesagt, für mich ist gewalt kein tema." das gilt für mich absolut, nie habe ich etwas anderes geschrieben oder gesagt. mit meiner überleitung von da zum tema der vergewaltigung wollte ich der kommission, deren unverständnis ich spürte, entgegenkommen und noch einen zusätzlichen, nichtmilitärischen aspekt der gewalt beleuchten - rache und vergeltung. auch habe ich die persönliche, unvorbereitete und in panik reflexartige notwehr als möglich eingeräumt (80) - nicht vorsätzlich eben und keineswegs mit dem ziel, in einer solchen situation einfach jemanden abmurksen zu wollen. muss man denn ein heiliger sein, um moral in seiner lebensauffassung zu beanspruchen?

die feststellung also, ich hätte die frage nicht beantwortet, ist schlicht falsch.

ich hätte dann keine aussage dazu gemacht, wie mit dem täter umzugehen sei. ich wurde erstens nicht danach gefragt, und zweitens habe ich aus freien stücken ein beispiel gebracht, um den teufelskreis der gewalt aufzuzeigen. mein tema war und ist aber nicht, ob man den täter einsperren sollte und wie lange. wenn man meine meinung dazu hätte wissen wollen, hätte man mich fragen müssen. auch diese argumentation der zentralstelle zielt ins leere.

zur frage, ob polizeigewalt legitim sei, habe ich in meiner beschwerde schon stellung genommen - was ich meinte mit dem "zusammenhang", habe ich ihnen dargelegt. keinesfalls ist meine meinung dazu vage.

ich hätte nicht erklären können, wie mit real existierender gewalt umzugehen sei - man ignoriert, dass ich mein ganzes gesuch auf dem tema der gewaltlosigkeit aufgebaut habe und sehr wohl mögliche, individuelle ansätze der kommunikation und der verständigung aufgezeigt habe - soweit ich in meinem leben halt damit konfrontiert worden bin. was anderes als die ganz persönliche lebenserfahrung beinhaltet denn sonst das wort gewissen?
zum tema eines angriffs auf die schweiz habe ich schon weiter vorne stellung genommen. wie kann man meine meinung, es wage niemand, die schweiz anzugreifen, mit meinen gewissenskriterien der gewaltlosigkeit vertauschen! das war eine politische einschätzung, nichts weiter. ich finde die schlussfolgerung der zentralstelle aus diesem détail nicht einmal an den haaren herbeigezogen, sondern absurd.

völlig unverständlich ist für mich der vorhalt, ich hätte nicht gezeigt, wieso meine werte in meinen augen so wichtig seien. er macht mich auch ratlos. meine einstellung gegen gewalt entspringt einem tief empfundenen gefühl. es handelt sich hier nicht um auswendig gelernte regeln. wieso ich so ein mensch bin, weiss ich letztlich nicht. ich habe meinen werdegang aufgezeigt, meine erfahrungen zu vermitteln gesucht, von meinen überzeugungen gesprochen. wieso das alles so ist und gekommen ist, weiss ich freilich nicht. dies wäre die frage nach dem grund meiner existenz. und ich bin nicht religiös. wieso man jetzt auf der religion herumreitet, kann ich nicht begreifen: ich habe zum tema nicht viel gesagt und mich nicht mit fremden federn geschmückt. den wert der gewaltlosigkeit, wie er im christentum gelehrt wird, habe ich wohl für mich auch übernommen, ich hätte ihn mir aber auch ohne religionsunterricht zu eigen gemacht, denn ich verstehe ihn, gerade weil nicht zuletzt christen kriege führen, allgemein-etisch, als einen wert der menschlichkeit. ich kann ihn nicht, wie mir vorgehalten wird, herleiten oder aufbauen. er entsteht nicht aus der logik des intellekts oder eines religiösen überbaus, sondern des herzens. ich denke, man könnte diese vorbehalte gegen einen religiösen gesuchsteller vielleicht vorbringen, der sich auf bibeltexte beruft, ohne sie wirklich zu kennen. wieso misst man mich aber mit solcher elle?

ich möchte nebenbei erwähnen, dass die begründung der zentralstelle von attributen wie "sollens-forderung mit ultimativem charakter", "imperativ gehör verschaffen", "gewissenskonflikt", "kategorische geltung" und so weiter geradezu strotzt. man misst mich hier an massstäben, die nicht (mehr) berechtigt sind und angesichts derer ich mich frage, wieviele gesuchsteller ihnen gewachsen wären, legte man sie immer an und müsste man jeden positiven entscheid ebenso begründen. man beurteilt mich zu streng, man will aus einer gefühlsangelegenheit eine logisch-intellektuelle normableitung konstruieren, der ich dann natürlich als nicht gewachsen erscheine. man will begriffe ableiten, aufbauen, grundlagen konstruieren. zum schluss wird die argumentation vollends unfassbar: man wirft mir vor, mich vor der aushebung nicht lautstark für den zivildienst gewehrt zu haben! "wären ihnen ihre prinzipien und wertvorstellungen damals wirklich ein anliegen gewesen, hätten sie keine mühe gescheut, dem sich abzeichnenden gewissenskonflikt mittels informationbeschaffung und entsprechenden schritten entgegenzuwirken und (ihn) womöglich abzuwenden."
wie hätte ich denn die aushebung abwenden sollen, wenn man erst hernach ein zivildienstgesuch stellen darf?

ich hoffe, dass ich ihnen habe aufzeigen können, dass der entscheid der zentralstelle für mich unhaltbar ist.

dies also der vollumfängliche text des rekurses, die vorwürfe an die anhörungskommission und an die zentralstelle. im ganzen erscheinen die zusammenhänge auch einem leser verständlich, der die ablehnungsschrift und die gesprächsnotizen nicht vor sich liegen hat. wenige dinge werden dann vollends plausibel, wenn man diese andern dokumente auch zu rate zieht, was der rekurskommission gewiss zugemutet werden darf, umso mehr, als sie ausdrücklich kopien davon verlangt und auch erhalten hat.

die reko ihrerseits schreibt unter punkt 5 ihrer abweisung:

der beschwerdeführer macht geltend, er sei an der anhörung von der zulassungskommission nicht korrekt behandelt worden. sie habe das schwergewicht der anhörung auf nebenschauplätze gelegt. fragen seien von ihr voreingenommen gestellt worden und sie habe ihn absichtlich nicht verstehen wollen. er habe es als provokativ empfunden, als die kommission ihn gefragt habe, ob es nicht schön und sinnvoll für ihn sei, wenn die schweizer armee die bevölkerung schütze (anhörungsnotiz 28). auf die frage, was für ihn gewalt sei, habe er geantwortet, es sei für ihn körperliche verletzung, auch mit worten. er sei nicht dafür, dass die polizei gewalt anwenden dürfe. es komme aber auf den zusammenhang an (50-54). an diesem punkt habe die kommission nicht weiter gefragt und allgemein das fazit gezogen, er habe einen gewissenskonflikt nicht glaubhaft darlegen können. er habe gesagt, er sei nicht religiös. trotzdem habe ihn die zulassungskommission gefragt, ob er nicht gewisse richtlinien und gebote verfolge (104-108). wenn die kommission ihm richtig zugehört hätte und das gesuch gelesen hätte, käme sie nicht auf die idee, solche fragen zu stellen.
diese auf das verfahren bezogenen rügen sind vorab zu klären.

zu diesem aspekt erwägt die reko zusammengefasst, es liege in der natur der anhörung zu versuchen, möglichst aussagekräftige, überzeugende und erschöpfende antworten vom gesuchsteller zu erhalten. die kommission solle in diesem sinne die aussagen gegebenenfalls kritisch hinterfragen. ‚dabei mag sie unter umständen auch als provokativ empfundene fragen stellen' , wird mit bezug auf einen früheren rekursentscheid geschrieben, ‚besonders, wenn ein gesuchsteller mühe bekundet, von sich aus seine für den zulassungsentscheid relevanten beweggründe zu verdeutlichen.' und weiter: ‚die persönliche anhörung muss mit einfühlungsvermögen durchgeführt werden und dem meist jugendlichen alter der gesuchstellenden person rechnung tragen. sie soll nicht als hindernis, sondern als chance verstanden werden.'

die anhörungsnotiz belegt, dass die kommission öfters nachgefragt oder die antworten des gesuchstellers hinterfragt hat. es ist nicht zu beanstanden, wenn das gespräch auf temen gelenkt wird, wozu sich ein gesuchsteller bereits im gesuch geäussert hat. die anhörung soll dem gesuchsteller die möglichkeit geben, seinen gewissenskonflikt aufzuzeigen, und seine motive - in diesem fall die gewaltlosigkeit - glaubhaft darzulegen. mit der kritisierten anschlussfrage, ob die polizei gewalt anwenden dürfe, wollte die zulassungskommission, wie die vollzugsstelle in der vernehmlassung ausführt, lediglich ausfindig machen, ob für den gesuchsteller gewalt in gewissen situationen legitim sei.
der gesuchsteller bemängelt auch, dass die zulassungskommission nicht weiter nachgefragt habe, in welchem zusammenhang er polizeigewalt rechtfertigen könne. eine weitere vertiefung des temas schien der zulassungskommission offenbar nicht nötig.
die zulassungskommission stellte fest, dass der gesuchsteller katolisch sei, den sinn des glaubens aber noch nicht gefunden habe. daraufhin stellte sie die frage, ob er nicht doch gewisse richtlinien habe. das wort ‚richtlinien' kann sich auf verschiedene prinzipien beziehen. damit können religiöse, aber auch etische und moralische werte gemeint sei. der gesuchsteller hat die frage von sich aus auf die relisiösen motive bezogen. auch die frage, ob er vielleicht ein gebot nennen könne, hat er im sinne des glaubens und der religion interpretiert. inwiefern die zulassungskommission in diesem zusammenhang voreingenommen gewesen sein sollte, lässt sich nicht erkennen.
insgesamt ergibt sich der eindruck, dass die zulassungskommission ihre fragen wertneutral formuliert und versucht hat, den antworten des gesuchstellers zu folgen und gegebenenfalls nachzufragen. es fehlt auch an anzeichen, wonach die zulassungskommission völlig einseitige schwerpunkte gesetzt hätte. aus der anhörungsnotiz vermag die rekurskommission evd somit nicht herauszulesen, dass die zulassungskommission den gesuchsteller nicht fair behandelt hätte.


dies also der erste abschnitt, wo auf die beschwerdefrist eingegangen wird. ein bisschen zusammengemischt erscheint das ganze, hier was genommen, dort etwas ausgelassen, und mit der genauigkeit nimmt mans auch nicht sehr genau. wo es den abschlägigen bescheid stützt, schreibt man pingelig-exakt, wo nicht, lässt man sich über dinge aus, die nicht beanstandet wurden. die rüge wäre also gewesen, nicht korrekt behandelt worden zu sein; das ist ungefähr richtig, aber das wort korrekt taucht nirgends in der beschwerde auf. die beschwerde spricht sehr viel realer von voreingenommener gesprächsführung (und nicht, schwächer, davon, fragen seien voreingenommen gestellt worden; sie rügt die voreingenommenheit der gewissensprüfer, und nicht nur bei einzelnen fragen). und gut, schummelt man das wort ‚provokativ' hinein, das in der beschwerde nirgends steht, denn darüber hat man ja in einer früheren entscheidung geschrieben und kann sich nun darauf stützen. es sei nicht zu beanstanden, dass die kommission auf fragen lenke, die bereits im gesuch stünden....was ja genau besehen auch niemand tut; nur steht im gesuch beispielsweise nichts von der polizei und kein wort über jugoslawien. und dass die kommission einen gesuchsteller provokativ empfangen darf und trotz lektüre seines gesuches fragen, ob es nicht schön wäre, in der armee zu sein - das wäre also höchstinstanzlich abgesegnet. ein pazifist muss sich das gefallen lassen. ein richter aber beispielsweise, der sich der bekämpfung des organisierten verbrechens widmete, dürfte wohl mit recht die reporterfrage, ob es nicht schön sei, in der mafia mitzuwirken, zurückweisen.
doch hier: wertneutrale formulierung! und dies gleich zu anfang des gesprächs, nicht etwa, nachdem sich die sache hochgeschaukelt hat! das steht ja auch so in der beschwerde:
wer kann mein gesuch lesen und mich schon am anfang fragen....
dabei gilt als voraussetung für so einen gewissensprüferjob eine hohe sensibilität in der gesprächsführung, die fähigkeit, sich in einen gesuchsteller hineinzufühlen. gewiss deshalb ist wohl einer der anwesenden gewissensprüfer gewissensprüfer geworden. er ist nämlich hauptberuflich als psychoterapeut tätig, und auf seiner persönlichen homepage spricht er denn auch aus seiner berufspraxis:
"meine aufgabe ist es, eine aufmerksame, schützende und umsorgende atmosfäre herzustellen und den gesamten menschen in seiner verletzlichkeit wahrzunehmen. während des prozesses folge ich konzentriert dem erleben des klienten/der klientin und unterstütze seine/ihre innere reise."
sein angebot richtet sich an "menschen mit dem wunsch nach persönlicher entwicklung, veränderung und neuorientierung, menschen in persönlichen schwierigkeiten und lebenskrisen."
tönt doch gut, nicht wahr? sicher wählbar, so einer, geradezu ein muster von gewissensprüfer. nur lässt sich aufgrund der gesprächsnotizen nicht gerade belegen, dass dieser edle zug des psychoterapeuten auf die anhörung abfärbt. gut, man kann ja mal nebenberuflich und ausgleichshalber was anderes tun, was ganz anderes, speziell, wenn man auch noch militärpsychologe ist....
die reko weiss es ja selbst am besten: einfühlungsvermögen, gesuchstellender person rechnung tragen, jugendliches alter.... die anhörung soll nicht als hindernis, sondern als chance verstanden werden....
das kann man in dem falle verstehen, sogar sehr gut, vor allem, wenn man allen kriegsgurgeln der welt glaubt, kriege würden im interesse der menschenrechte geführt und des friedens und des schutzes und der freiheit. die reko würde bestimmt auch hier keine voreingenommenheit erkennen. das wäre ja karriereschädigend!

und dann die posse mit der polizei! ich zitiere wörtlich und ohne was auszulassen die stelle aus dem protokoll (50-54):

km sie bezeichnen sich als pazifistisch. welche grenzen bei gewalt, was ist gewalt?
gs mmm körperliche verletzung, auch mit worten, ja, weiss nicht genau, wie man das definiert
km darf polizei gewalt anwenden?
gs von mir aus nicht, es kommt aber auf den zusammenhang an, es wird aber nicht besser, wenn polizei gewalt anwendet.
km was heisst pazifist sein?

aus der beschwerdeschrift:
körperliche verletzung, auch verletzung mit worten (51), ich bin nicht einmal dafür, dass die polizei gewalt anwenden darf (53), und mit dem satz, es komme auf den zusammenhang an, nach dem aber nicht weiter gefragt wurde, meinte ich die persönliche notwehr eines polizisten, wenn sein leben angegriffen wird, also etwas, was ich unter umständen, aber eben ohne waffe und ohne training, auch tun würde. damit heisse ich es immer noch nicht gut! aber ein reflex in der panik hat nichts mit meinen überzeugungen zu tun.

es wird also mitnichten weder irgend kritisiert, dass die kommission die polizeifrage gestellt, noch gar bemängelt, dass sie nicht nachgehakt habe, sondern eine erklärung beigefügt, nach der an der anhörung nicht gefragt wurde, in klammern quasi, zum besseren verständnis der sache.
welche spiegelfechterei nun darüber!

und die sache mit der religion, verfolgen wir sie einmal wort für wort. aus dem protokoll (95-107)

km sie haben bestimmte idee von gut und schlecht, aber welche vorstellung, was wollen sie?
gs einstehen für die soz. schwächeren, nicht egoistisch sein, auch nicht nur sicht im eigenen land, schauen, was man ändern könnte, auch reisen, damit man probleme sieht, in afrika
km offen sein, verständnis suchen?
gs ja, keine bezwingende bekehrung, ausser bei gravierenden sachen
km also toleranz?
gs ja
km nach welchen werten können sie nicht verstossen?
gs sicher gewaltfreiheit, kein verständnis zeigen für jem
km sie schreiben, sie sind kat.


(anmerkung, er schrieb: da ich katolisch erzogen wurde, musste ich jede woche während allen neuen schuljahren diesen unterricht besuchen. leider habe ich den sinn des glaubens an gott bis heute nicht begriffen. viele gläubige versuchten mir den sinn zu erklären, aber keiner konnte mich bis jetzt überzeugen. vielmehr habe ich im laufe der jahre erfahren, dass oft der fundamentale glaube einen krieg auslösen kann.)

gs sie schreiben, sie sind kat, aber den sinn des glaubens nicht gefunden, da müssten sie
doch gewisse richtlinien haben?
(anmerkung: !?)

gs nein, bin nicht religiös
km kein gebot nennen?
(?!)
gs nein, ist sinnlos, sträubte mich dagegen, das zu schreiben, ich brauche keine bibel, um zu
leben

danach dreht sich das gespräch weiter um die gewaltlosigkeit und verlässt den religiösen bereich. es kann nicht anders als unmissverständlich erscheinen, dass der gesuchsteller hier nach seiner religion abgeklopft wird, und dies, nachdem er im gesuch klipp und klar geschrieben hat, dass er mit der religion nichts zu tun habe.

deshalb auch seine beschwerde:

ich rede davon, dass ich bei allem, was ich tue, bewusst abwäge (93), dass ich für schwächere einstehe, toleranz übe, dass ich gegen meinen wert der gewaltlosigkeit nicht verstossen kann (102). man antwortet, ich hätte den sinn des glaubens nicht gefunden (was stimmt), da müsse ich doch gewisse richtlinien haben! (104.) hat man mir überhaupt zuhören, hat man mein gesuch überhaupt lesen wollen? ich beschreibe mich als nichtreligiösen menschen, und man fragt mich nach richtlinien und geboten! (107.)
dass ich darauf kurz den faden verlor (114), erklärt sich daraus, dass ich den eindruck hatte, man wolle mich nicht verstehen. man fragt mich, ob ich als schütze kein problem hätte! (122.) hat man mir zugehört bei allem, was ich sagte?

und nun wurstelt die reko zusammen, schwammig, tendenziös und doch wieder sprachverliebt und haargenau in einem:

die zulassungskommission stellte fest, dass der gesuchsteller katolisch sei (!), den sinn des glaubens aber noch nicht gefunden habe.

(missionarische tendenzen seitens kommission und reko?)

daraufhin stellte sie die frage, ob er nicht doch gewisse richtlinien habe. das wort ‚richtlinien' kann sich auf verschiedene prinzipien beziehen. damit können religiöse, aber auch etische und moralische werte gemeint sein. der gesuchsteller hat die frage von sich aus auf die relisiösen motive bezogen. auch die frage, ob er vielleicht ein gebot nennen könne, hat er im sinne des glaubens und der religion interpretiert. inwiefern die zulassungskommission in diesem zusammenhang voreingenommen gewesen sein sollte, lässt sich nicht erkennen.

tja, wenn sie auf stur machen, dann machen sies richtig stur. wen wunderts daher noch, dass die reko weder voreingenommenheit noch unfaire behandlung erkennen kann? ganz abgesehen davon, dass die staatsfilosofischen auslassungen sowohl der erstinstanz wie der reko (und häufig auch die voreingenommene sichtweise gewisser kommissionsmitglieder) nur unzulänglich kaschieren, wenn überhaupt, dass sie von christentum strotzen. welche art von richtlinien aber gerade zum beispiel der katolischen morallehre verbindlich entnommen werden sollen, bleibt unklar und so beliebig wie nur irgendwas. gewaltlosigkeit eines staates gefällig, der sich in seiner verfassung auf gott beruft und dennoch eine armee unterhält? oder gewissensfreiheit und toleranz, glaubensfreiheit gar, wenn er die grossen christlichen kirchen bevorteilt, was sage ich, sponsert? die feindesliebe etwa? und wann hätte sich ein hoher katolischer kleriker dafür verwandt, wenn es gilt, den gegner zu vernichten? die eigenen gegner selbstredend, bei den gegnern des gegners sieht natürlich wieder alles anders aus.

was weiss die rekurskommission unter der federführung ihres präsidenten noch zu kritisieren?
sie schreibt an der nächsten stelle, wo sie sich konkret auf den gesuchsteller einlässt (unter punkt 6):

insofern spricht die mangelnde tiefe der teoretischen argumentation des beschwerdeführers für sich allein im sinne der obigen ausführungen nicht grundsätzlich gegen das vorhandensein eines gewissenskonfliktes. indessen hat der beschwerdeführer - wie aus dem gesuch und der anhörungsnotiz hervorgeht - kaum oder nur sehr vage erklärt, was er unter den von ihm geltend gemachten prinzipien der gewaltlosigkeit und des pazifismus verstehe und wieso diese werte für ihn so wichtig seien.

die ‚obigen ausführungen' kann ich hier getrost beiseite lassen, denn es handelt sich durchwegs um teoretische betrachtungen juristischer art, die nichts mit der bewertung des beschwerdeführers zu tun haben. doch nun wird ohne weiteres, ohne argumente, ohne darauf überhaupt einzugehen, sowohl die angeblich mangelnde tiefe der argumentation unterstellt wie auch, dass sie ‚teoretisch' gewesen sei - was bekanntlich nicht genügt, um zugelassen zu werden. mit einer gewissen kühnheit schreibt man ohne begründung, der gesuchsteller habe ‚kaum oder nur sehr vage' erklärt, was er unter pazifismus und gewaltlosigkeit verstehe. die reko übernimmt hier unbesehen die beurteilung der vorinstanz. es versteht sich also von selber, könnte man denken, dass er zum beispiel ein lausiges gesuch geschrieben habe.
nehmen wir einen kurzen augenschein ins gesuch, zitatweise, um diesen aspekt zu beleuchten:

ich hinterfrage alle lebensbereiche und versuche herauszufinden, ob ich wirklich das richtige mache, oder ob ich vielleicht etwas zu ändern habe.

wie man unschwer anhand jeder tagesschau erkennen kann, ist die erde alles andere als eine heile welt. tag für tag kommen wieder neue kriegs- und konfliktmeldungen auf uns zu. es ist bereits zum alltag geworden. eine person, die zum ersten mal eine nachrichtensendung sieht, ist aufgrund der hohen gewaltbereitschaft einiger menschen schockiert. die mehrheit der zuschauer interessiert es aber nicht einmal, was wo geschieht. auch nach einigen schlimmen meldungen kehren fast alle wieder in ihren alltagstrott zurück. obwohl sich alle rekruten bewusst sind, dass sie möglicherweise eines tages in einem krieg aktiv mithelfen müssen, gehen sie dieses risiko ohne zweifel ein.

(wie mager nimmt sich diesen sätzen gegenüber das argument der ‚zentralstelle' aus, die im abschlägigen bescheid geschrieben hatte:
auch fiel ihre antwort zur frage, weshalb sich die schweiz im falle eines angriffes nicht wehren soll, unbefriedigend aus. sie gaben an, kein land werde es wagen, unser land in der heutigen zeit anzugreifen, wegen der wirtschaftlichen beziehungen. wenn dies aber so wäre, kann man sich fragen, inwiefern für sie beim leisten von militärdienst ein gewissenskonflikt bestehen würde.)

weitere auszüge aus dem gesuch:

ich bin überzeugt, dass jede gewaltanwendung verhindert werden kann. denn sobald eine person gewalt anwendet, hat sie den kampf schon verloren. wenn einem menschen gewalt angetan wird, vergisst er es oft nicht. es setzt sich in seinem gehirn fest, dass er eines tages rache nehmen wird. sei es an der person, welche ihm den schaden zugefügt hatte, oder an einer ganz anderen....gewalt löst nur ewige gegengewalt aus, die das friedliche zusammenleben der menschheit oft zur unmöglichkeit macht.

zahlreiche friedensorganisationen setzen sich tag für tag offen dafür ein, die wunden, die diverse kriege bei menschen hinterlassen haben, friedlich verheilen zu lassen. leider ist das verfügbare personal im vergleich zum militär nur ein bruchteil. es wäre erfreulich, wenn es überhaupt kein ‚militärisches personal' mehr gäbe und die welt einsehen würde, dass armeen etwas von grund auf schlechtem dienen.

jedes lebewesen, und somit auch der ‚feind' aus militärischer sicht, ist für mich etwas einzigartiges, etwas, das man nicht einfach so wieder reparieren oder reproduzieren kann.....ich finde, niemand hat das recht, etwas, das so einen grossen wert hat wie das leben, zu zerstören. so kann ich es auch nicht mit meinem gewissen vereinbaren, militärdienst zu leisten. denn dieser hat genau das zum ziel. die zerstörung jeglicher feindlich gesinnter lebewesen.

und so weiter, ich habe hier nicht einfach rosinen herausgepickt, dieser ton ist im gesuch der vorherrschende, andere beispiele gibts die fülle.

‚mangelnde tiefe der teoretischen argumentation', ‚kaum oder nur sehr vage erklärt', wie die reko weiss und besserweiss?

naja.

man bezichtigt den gegner immer noch am einfachsten mit den attributen eigener schwäche, um sie desto unredlicher zu kaschieren.

interessant auch: die reko schreibt nirgends, wie es zu ihrem sonstigen repertoire gehört, der beschwerdeführer habe etwa argumente nachgeschoben und rede in seinem rekurs von dingen, über die er im gesuch oder an der anhörung nicht referiert (was selbstverständlich die beschwerde nicht rechtfertigen würde).

hingegen:

die ereignisse aus seiner schulzeit stellt er aus der beobachterperspektive dar. es bleibt offen, welche konkreten, gewalttätigen auseinandersetzungen verständlicherweise eine tiefe abneigung gegen sinnlose gewaltanwender bei ihm ausgelöst haben. wie sich sein tief empfundenes gefühl äussert, erklärt er nicht. es ist unter diesen umständen schwer vorstellbar, inwiefern diese äusseren begebenheiten einen inneren prozess bei ihm ausgelöst haben sollen.

ich konfrontiere noch einmal mit dem gesuch:

ab der fünften klasse wurde ich in der sekundarschule ausgebildet. an dieser schule kam es zum ersten kontakt mit älteren schülern....bereits zu dieser zeit kam das problem mit der zunehmenden gewalt an der schule zur sprache. leider waren die lehrer ohne einfluss, da einige schüler wohl von grund auf ‚falsch' erzogen wurden und durch gewalt ihre gefühle zum ausdruck bringen wollten.

zu den schulischen unterschieden kam, dass auch ausländer die schule besuchten und oft nicht akzeptiert wurden. weil sie ausländer waren. die meisten schüler hatten im voraus eine fremdenfeindliche einstellung, obwohl sie die personen eigentlich gar nicht kannten.

auf dieser schule wurde mir zum ersten mal klar, dass viele menschen probleme hinaufbeschwören, die gar nicht existieren würden, wenn der gegenseitige respekt vorhanden wäre. die lehrkräfte konnten oft schlichten, doch das gegenseitige misstrauen blieb und war nicht als nötig erachtet, entfernt zu werden.

doch nicht nur die multikulturelle gesellschaft war ein problem, vielmehr waren es oft widerstandsunfähige kinder, die zielscheibe von gewaltanwendungen wurden. jene kinder wurden von a bis z aus der klasse ‚ausgegliedert' und gerieten in der folge rasch einmal in eine psychische krise.

beobachterperspektive.
beobachterperspektive schlecht.
reko triumf!

insofern kann der zulassungskommission gefolgt werden, wenn sie aufgrund dieser aussagen zum schluss kommt, für sie sei die herleitung seiner moralischen werte nicht nachvollziehbar gewesen.

und nun eine stelle fürs erinnerungsalbum.
die reko schreibt:

die zulassungskommission kreidet dem beschwerdeführer an, dass er sich vor und während der aushebung keine gedanken zu seinem gewissenskonflikt gemacht habe. wie er im gesuch und in der anhörungsnotiz ausführt, seien seine moralisch-etischen prinzipien schon während seiner kindheit entstanden und hätten sich dann in der schule und später durch kriegs- und konfliktmeldungen in den medien weiterentwickelt. wenn dies so gewesen sein sollte, so erscheint es in der tat seltsam, dass sich der beschwerdeführer nicht schon im vorfeld zur aushebung gedanken machte, wie er seine motive mit dem militärdienst vereinbaren könnte.

(seine motive mit dem militärdienst vereinbaren könnte!?)

dagegen spricht auch nicht der umstand, dass ein zivildienstzulassungsgesuch erst nach der aushebung eingereicht werden kann. wenn in diesem punkt von der zulassungskommission ein widersprüchliches verhalten erkannt wird, das auf die glaubwürdigkeit drückt, so erscheint diese wertung nicht weit hergeholt und ist nachvollziehbar.

widmen wir uns dieser inkriminierten stelle. in der abweisung des gesuches schreibt die ‚zentralstelle' das folgende:

ihre glaubwürdigkeit litt zudem darunter, dass sie angegeben haben, ohne vorherige auseinandersetzung an die militärische aushebung gegangen zu sein. zur gleichen zeit habe ihr bruder ein zivildienstgesuch eingereicht. die von ihnen genannten prinzipien und wertvorstellungen bezüglich einzigartigkeit des lebens, toleranz, akzeptanz und hilfsbereitschaft, auf welche (!) die von ihnen geltend gemachte gewaltfreiheit aufbaut, seien zu jenem zeitpunkt schon gültig gewesen. eine normative forderung kennzeichnet sich durch ihre unmittelbare, bedingungslose und kategorische geltung. es erstaunt, dass sie sich nicht im vorfeld der aushebung gedanken über dem (!) militärdienst gemacht haben, um einem möglichen gewissenskonflikt vorzubeugen, wenn sie doch angeben, dass gewaltfreiheit und die mit ihr verbundenen werte und prinzipien bereits im vorfeld geprägt worden und für sie verbindlich gewesen seien. dies fällt umso mehr auf, da sich ihr bruder gleichzeitig im zulassungsverfahren zum zivildienst befand. es wäre somit für sie ein leichtes unterfangen gewesen, sich bei ihm sowohl über den militär- wie auch über den zivildienst zu erkundigen und sich im vorfeld der aushebung eine eigene meinung zu bilden. dies haben sie aber unterlassen. wären ihnen ihre wertvorstellungen und prinzipien damals wirklich ein anliegen gewesen, hätten sie keine mühe gescheut(,) den (!) sich abzeichnenden gewissenskonflikt mittels informationsbeschaffung und entsprechenden schritten entgegenzuwirken und wenn möglich abzuwenden. es ist somit anzunehmen, dass wäre ihnen schon damals gewaltfreiheit ein echtes anliegen (verflixtes deutsch!), eine sollens-forderung mit ultimativem charakter, hätte sich dieses gebot an oberster stelle gestellt (deutsches sprack!) und sich imperativ gehör verschaffen. (!) die tatsache, dass sie sich erst nach erfolgter aushebung mit dem tema (‚schandfleck'-rechtschreibereform) militärdienst befasst haben, lässt zweifel an den (!) ultimativen charakter des gewaltverzichtes aufkommen.

was wird in der beschwerdeschrift dazu gesagt?

zum schluss wird die argumentation vollends unfassbar: man wirft mir vor, mich vor der aushebung nicht lautstark für den zivildienst gewehrt zu haben! "wären ihnen ihre prinzipien und wertvorstellungen damals wirklich ein anliegen gewesen, hätten sie keine mühe gescheut, dem sich abzeichnenden gewissenskonflikt mittels informationbeschaffung und entsprechenden schritten entgegenzuwirken und (ihn) womöglich abzuwenden."
wie hätte ich denn die aushebung abwenden sollen, wenn man erst hernach ein zivildienstgesuch stellen darf?

alles, was in den anhörungsnotizen darüber zu finden ist (12-20):

km tema md, aush, wie war sie? wussten sie schon vom zd, wie kam es zur einteilung?
gs ich kannte zd gar nicht, ich las büchlein, dann ging es, bruder halbes jahr später
km wann genau?
gs mmm weiss nicht genau, auf alle fälle habe mich interessiert für das ganze, seitdem, wo ich das gesehen habe
km bruder hat rs gemacht?
gs nein, er hat verschoben wegen zd
km gespräche mit ihm wesentlich
gs ja


man reime sich übereinstimmung und logik selber zusammen; mehr als dies protokoll steht ja der reko auch nicht zur verfügung, um dem genauen wortlaut der anhörung nachzugehen. das nur dürftig befriedigende protokoll scheint eher dem beschwerdeführer recht zu geben, ‚bruder halbes jahr später' steht da.

und wenn andersrum: welch klugscheisserische haarspalterei aller beteiligten instanzen für ein gutes gehalt und eine schöne pension!

damit habe ich alle argumente der reko aufgezeigt, die sich mit den vom beschwerdeführer bemängelten punkten befassen.
die schrift endet mit der feststellung, die ablehnung duch die vorinstanz sei nachvollziehbar und gesamthaft betrachtet nicht offensichtlich unhaltbar. die beschwerde werde demzufolge als unbegründet abgewiesen.

es bleibt zu untersuchen, worauf die reko überhaupt nicht eingetreten ist.

sie ignoriert den vorhalt, die ‚zentralstelle' nehme in ihren ausführungen zum ‚sachverhalt' keine notiz von der permanenten gedanklichen beschäftigung des gesuchstellers mit sich und der welt. lesen wir diesen ersten punkt der beschwerde nochmals und prüfen wir:

was unter punkt a, sachverhalt, im entscheid von meinem schriftlichen gesuch zusammengefasst wird, ist so, wie es dasteht, im grossen und ganzen richtig. was aber nicht berücksichtigt wurde, ich aber gleich zu anfang geschrieben habe: ich fühle mich verantwortlich für alles, was ich mache oder unterlasse. ich habe mir konkret zu überlegen, welche entscheidungen ich zu treffen habe und wie sich diese auf meine zukunft auswirken. ich bin ein mensch, und das habe ich hier formuliert, der alle lebensbereiche hinterfragt und stets versucht, das richtige zu tun. ich habe des weitern in meiner einleitung mit den kriegs- und konfliktmeldungen argumentiert, die täglich in der tagesschau zu sehen und zu hören sind. es ist in meinen gedanken ein tägliches tema, weshalb viele menschen gleichwohl in ihrem alltagstrott verharren und sie das gesehene gar nicht weiter interessiert. mir ist bewusst, dass ich als rekrut und soldat möglicherweise eines tages in einem krieg aktiv mithelfen muss. ich denke, dass alleine schon diese permanente gedankliche beschäftigung mit mir und der welt von einem bewusstsein spricht, das sich zur gewaltlosigkeit bekennen muss. die zentralstelle nimmt davon keine notiz.

einem halbwegs aufgeweckten geist entgeht der vorwurf nicht, die ‚zentralstelle' unterschlage in ihrem résumée ein wichtiges tema, geradezu ein zentrales, liest er das gesuch ohne scheuklappen vor den augen.

die reko interessiert sich nicht für diese beanstandung.

ich habe ferner, sehr analog zu meinem schriftlichen gesuch, an der anhörung ausgeführt, pazifist sein bedeutet für mich, gewaltlos sein; das wort gewalt darf in einer auseinandersetzung, die in der diskussion geführt werden muss, gar nicht existieren (56). auch wenn ich gewalt am eigenen leibe nie erlebt habe, ist dies meine überzeugung (61). ich hatte an der anhörung den eindruck, für die kommission könne sich eine solche einstellung nur herausbilden, wenn man schon mal zusammengeschlagen wurde! ist das nicht absurd?

auf diesen punkt ist die reko mit keiner silbe eingetreten.

aber noch andernfalls! im zivildienstgesetz steht: "militärpflichtige, die glaubhaft darlegen, militärdienst nicht mit ihrem gewissen vereinbaren zu können, leisten zivildienst."

in der botschaft zu diesem gesetz schrieb der bundesrat am 22. juni 1994, dass eine allgemeingültige umschreibung dessen, was gewissen sei, nicht möglich sei.
"gewissen setzt sich zusammen aus der erkenntnis von erlaubtem und verbotenem, von recht und unrecht und aus der für die einzelne person daraus erwachsenden zwingenden verpflichtung, entsprechend dieser erkenntnis zu handeln."
und auch:
"das gewissen ist das subjektive bewusstsein vom sittlichen wert oder unwert des eigenen verhaltens. es ist die innere etische instanz eines menschen, die ihn sich selbst gegenüber ganz verpflichtet. das gewissen ist ein ort der sittlichen entscheidung gemäss den grundnormen der eigenen überzeugungen, wozu auch das religiöse bewusstsein gehört."

diese öffnung gegenüber dem alten militärstrafgesetz wurde in der botschaft dahingehend präzisiert, dass neben religiösen überzeugungen auch andere motive anerkannt würden - etisch-humanitäre, aber auch moralische, soweit sie im postulat der gewaltlosigkeit fussen. selbst rationale gründe und politische sowie gesellschaftliche überlegungen könnten anerkannt werden.

ein beschwerdeentscheid ihrer behörde vom 20. april 2000 in sachen x. y. hat genau oben zitiertes gesetz, die botschaft des bundesrates und die daraus folgende schlussfolgerung zum tema (s. 5-7). ich zitiere aus ebenjenem reko-entscheid:
(s.7)
"folglich fallen ausschliesslich persönliche gründe wie persönliche neigungen, bequemlichkeiten, aus- und weiterbildung oder wirtschaftliche erwägungen ausser betracht, um vom militärdienst befreit zu werden."

demgegenüber stelle ich fest, dass die zentralstelle nicht im sinn und geist oben zitierter sätze, aber auch nicht nach der absicht des bundesrats schreibt, wenn sie in ihren "erwägungen" formuliert, die moral äussere sich unmittelbar in form einer normativen forderung, einer sollens-forderung, die bedingungslose, kategorische geltung beanspruche. damit fällt die zentralstelle wieder auf die ebene des alten militärstrafgesetzes zurück, das bis zur barras-reform in den 90iger-jahren einen "kategorischen imperativ des handelns" nach kant für gewissensverweigerer verlangt hatte - und jeweils nur zirka einem drittel der militärverweigerer einen gewissenskonflikt zubilligte.
zudem hat der bundesrat in seiner botschaft nicht nur moralische motive anerkennen wollen, sondern eben auch etisch-humanitäre, ja sogar politische und gesellschaftliche überlegungen.

wenn nun die zentralstelle im weiteren nur von moralischen forderungen in ihren erwägungen spricht als voraussetzung zur zulassung und die andern genannten motive gänzlich verkennt, argumentiert sie am geist des zivildienstgesetzes, der bundesrätlichen botschaft und mithin demokratischer institutionen wie den beiden kammern des parlaments, aber auch des erwähnten reko-entscheides vorbei. überhaupt scheint schon das wort "gewissenskonflikt" in diesem zusammenhang überrissen zu sein.
ich zitiere nochmals aus dem rekurs-entscheid vom 20. april 2000: (s. 12/13.)
"von einem gesuchsteller dürfen nicht generell tiefschürfende, intellektuelle oder wissenschaftliche abhandlungen oder deren hintergrund und auch nicht eigentliche tatbeweise verlangt werden. der gesuchsteller muss nicht vertiefend und ausführlich begründen können, wie seine persönliche grundüberzeugung zustandegekommen ist."
und:
"gerade bei prinzipien wie gewaltlosigkeit oder nächstenliebe dürfte es mitunter schwierig sein, konkrete umsetzungen im täglichen leben aufzuzeigen. es liefe auf eine überdehnung der anforderungen hinaus, wollte man zum zeichen der glaubwürdigkeit verlangen, der gesuchsteller müsse sich in seinem leben aktiv und erkennbar für die gewaltlosigkeit engagieren." (s. 13.)


eine unverfrorenheit sondergleichen, auf dieses wichtigste, breit ausgeführte argument der beschwerde nicht einzugehen, nicht mit einer silbe! als hätte es diesen zitierten reko-entscheid niemals gegeben! wieviel unabhängigkeit ist dieser instanz wohl noch zuzubilligen, wieviel glaubwürdigkeit zu attestieren, wenn sie sich nicht einmal an ihre eigenen worte erinnern lässt?

die antwort versteht sich von selbst.

es gibt noch andere teile der beschwerde, die nicht oder nur sehr partiell, wos gerade in den kram passte, beantwortet worden sind.

man prüfe und vergleiche selber.

gewiss steht nicht zu erwarten, dass eine rekursinstanz auf jeden einzelnen satz eintreten soll, den ein beschwerdeführer irgend niederschreibt. aber auf diese art und weise wichtigste argumente zu unterschlagen und ziemlich willkürlich andere passagen wohl zu behandeln, aber gleichzeitig zu bagatellisieren oder gar sinnentstellend darzulegen, läuft auf eine kapitale spiegelfechterei hinaus, auf eine demonstration zynischer arroganz.

das recht als faustrecht des stärkeren, zur vorbeugung der gerechtigkeit.

"die da oben machen ja doch nur, was sie wollen!
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